Forschung aktuell

Veranstaltungsbericht zum Crisis Talk „Was Grundlagenforschung (noch) damit zu tun hat: Transnationale Forschungsförderung zur Bewältigung gesellschaftlicher Krisen in Europa“

Von Dr. Stefan Kroll

Im 7. Crisis Talk ging es nicht nur um die Frage, welchen Beitrag die Wissenschaft zur Bewältigung gesellschaftlicher Krisen leisten kann. Gegenstand der Diskussion war darüber hinaus ein Krisenphänomen, das, wie Prof. Dr. Nicole Deitelhoff (HSFK) in ihrer Begrüßung betonte, von manchen gar nicht als Krise wahrgenommen werde. Gemeint war die Rolle der Grundlagenforschung, welche in der europäischen Forschungsförderung gegenüber der anwendungsorientierten Forschung in die Defensive gerate. So wird es zumindest von manchen Beobachtern wahrgenommen. Die Frage nach der Bedeutung der Grundlagenforschung in der europäischen Forschungsförderung ist auch deshalb von besonderer Aktualität, weil im Sommer der Kommissionsvorschlag für das 9. Forschungsrahmenprogramm (FP9) zu erwarten ist.

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Wissenschaft mit Pepp – Greta Wagner über Pillen und Pulver an der Universität

Von Jerzy Sobotta

Eine neue Spitzenzeit im Sprinten, ein neuer Weltrekord im Brustschwimmen? Wenn es um Höchstleistung geht, greifen Sportler hin und wieder mal in die medizinische Trickkiste. Dass nicht nur Athleten dopen, sondern auch Akademiker ihre Aufmerksamkeit auf chemischem Wege erhöhen, ist weniger bekannt. Greta Wagner, Postdoktorandin am Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, hat die Praxis der Selbstoptimierung durch leistungssteigernde Psychopharmaka erforscht. In der Goethe Lecture Offenbach am 12. Dezember 2017 zeigt die Soziologin, wie Pillen und Pulver an Hochschulen und in der Kreativwirtschaft zum Einsatz kommen. Ohne in moralische Eindeutigkeit zu verfallen, stellt Wagner die Ambivalenzen ihrer Studienteilnehmer dar. „Im Versuch sich ständig besser zu machen und so den wachsenden Leistungsansprüchen der Gesellschaft zu entsprechen, scheitern viele Konsumenten an ihrem eigenen Selbstbild“, erklärt Wagner.

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Von Schleiermacher bis zum Kapitalozän. Der Exzellenzcluster »Die Herausbildung normativer Ordnungen« schaut bei seiner Internationalen Jahreskonferenz multiperspektivisch auf die Krise

Von Bernd Frye

„Krise ist unser Tagungsthema, kein Kennzeichen unserer Gemütslage.“ Rainer Forst, Co-Sprecher des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, ging in seinen einleitenden Worten darauf ein, dass der geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsverbund in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs nicht mehr gefördert wird. Ohnehin hatten die Vorbereitungen der mittlerweile 10. Internationalen Jahreskonferenz lange vor dem abschlägigen DFG-Bescheid begonnen. Und die häufig zu hörende Ansicht, wonach es bei einer Krise kein Vor und kein Zurück gebe, stimme, so Forst, nur eingeschränkt: „Es gibt immer einen Weg, aber er
muss ein neuer sein!“
Bei der Jubiläumskonferenz wurde dieser – wie immer – im Dialog der Disziplinen beschritten: Was ist, auch philosophisch gesehen, überhaupt eine Krise? Wie stellt sie sich angesichts der aktuellen politischen Ereignisse dar? Was lässt sich aus historischer und ethnologischer Sicht über Epochen und Umbruchprozesse sagen? „Crisis: Interdisciplinary Perspectives“ – so lautete der Titel der zweitägigen Tagung, die Ende November im Gebäude „Normative Ordnungen“ auf dem Campus Westend stattfand.

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“The only alternative to authoritarian liberalism is democratic socialism.” Hauke Brunkhorst on “Normative Orders in Crisis”

By Tatjana Sheplyakova

“Soyez réalistes, demandez l’impossible!” was one of the many slogans during the Paris May Days of 1968. Almost 50 years later, at the 2017 Annual Conference of the Normative Orders’ Cluster of Excellence Hauke Brunkhorst in his keynote lecture reminded us of the political task to revive the struggle for democratic socialism. Given the neoliberal turn in politics that can be observed since the 1970s, which resulted in a new formation of ever expanding authoritarian liberalism, this task seems even more impossible today. The prospects are bleak, he warned, but it is worth fighting for.

In his introductory remarks Christoph Menke addressed the question where to locate Hauke Brunkhorst within the tradition of Frankfurt School Critical Theory. Conventional account would be to speak of different generations of Critical Theory and to place its protagonists into one or the other generation accordingly. Hauke Brunkhorst’s philosophical, political, and legal thought, however, escapes any such classification. Brunkhorst’s work spans the range of critical social analysis, it includes in-depth reflection on the idea and shape of politics under the conditions of Modernity, on solidarity, democracy, not least the concept and history of law – it represents a self-reflection of theory at its best in the view of its social including its economic conditions and effects. Therefore, as Menke concluded, “it’s just a little exaggeration – but as Adorno said, only exaggerations are true – we can thus say that Hauke Brunkhorst just is the Frankfurt School”.

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Die Krise der liberalen Weltordnung: Jabri, Daase und Kroll über die Widersprüche des Liberalismus und den Angriffen seiner Kritiker

Von Jerzy Sobotta

Die Angst um das Bestehende geht um. Mittlerweile hat sie auch die Politikwissenschaften ergriffen. Diesen Eindruck hatte man jedenfalls auf der Jahreskonferenz 2017 des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ . Die dritte Podiumsdiskussion  stand ganz im Zeichen der Krise der liberalen Weltordnung. Moderator Prof. Stefan Kadelbach, Mitglied des Clusters und Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Goethe-Universität, sah in den politischen Entwicklungen der letzten beiden Jahre eine Selbstzerstörung liberaler Gesellschaften heraufziehen. Brexit, Trump, das katalanische Unabhängigkeitsreferendum und das Scheitern der Jamaika-Koalition in Deutschland seien Zeichen einer existentiellen Krise des Westens. „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, so fasste Kadelbach das Gefühl zusammen, das die drei Vorträge am 24. November 2017 vereinte.

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Die sinnliche Wahrnehmung zum Tanzen bringen. Tatjana Sheplyakova über die kognitive Ästhetik Dziga Vertovs

Von Steffen Andrae

Stampfende, hämmernde, kreischende Maschinen, donnernde Züge und klirrende Werkzeuge. Arbeiter unter Tage, im Stahlwerk oder bei Paraden. Der Lärm und die schnell wechselnden Bilder in Dziga Vertovs Enthusiasmus erzeugen eine nur schwer zu ertragende Kulisse. Der Film entstand 1930, aber seine klangliche und bildliche Gestaltung stellt noch heute unsere alltäglichen Hör- und Sehgewohnheiten auf die Probe. Seine sinnliche Herausforderung – um nicht zu sagen sein Affront – hat Methode. Vertovs Filmkunst will ein „neues Sehen“, eine neue Art der Wahrnehmung etablieren. Der alten muss dafür buchstäblich Hören und Sehen vergehen.

Dr. Tatjana Sheplyakova, Philosophin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität, sprach am 3. Dezember 2017 im Rahmen der B3 Biennale des bewegten Bildes über Vertovs Film und Ästhetik. Unter dem Titel „L’Homme Machine – Das neue Leben in Dziga Vertovs Enthusiasmus / Sinfonie des Donbass“ gewährte sie einen tiefen Einblick in die Ideen der russischen Künstler-Avantgarde der 1920er und 30er Jahre. Sie waren durch einen wechselseitigen Zusammenhang von futuristischer Technikauffassung, scharfer Kunstkritik und radikalem politischem Selbstverständnis geprägt.

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Bericht zum Crisis Talk "Humanitarian Crisis"

Von Thorsten Thiel

Ob in Syrien, im Jemen, im Südsudan oder in Nigeria: Bei  Europas nahen wie fernen Nachbarn kommt es in den letzten Jahren immer wieder zu humanitären Krisen. Insbesondere die hierdurch ausgelösten bzw. verstärkten Migrationsbewegungen haben diese Krisen zu einem zentralen Thema europäischer Politik werden lassen. Der nunmehr sechste Crisis Talk nahm dies am 17. Oktober 2017 zum Anlass, zu fragen, welche Rolle und Verantwortlichkeiten der EU aus humanitären Krisen erwachsen. Wie schon bei den ersten fünf Brüsseler Talks waren der Einladung des Leibniz-Forschungsverbundes »Krisen einer globalisierten Welt« und seiner Partner – der Vertretung des Landes Hessens bei der EU, dem Europa-Büro der Leibniz-Gemeinschaft und dem Frankfurter Exzellenzcluster »Die Herausbildung normativer Ordnungen« – wieder viele Menschen gefolgt, so dass Prof. Dr. Tilman Brück (IGZ), Dr. Nils Behrndt (Kabinettschef des EU-Kommissars für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung Neven Mimica), und Kathrin Schick (Direktorin des NGO-Europanetzwerkes VOICE) vor vollem Haus diskutieren konnten, was die EU tun könne und tun müsse.

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Quo vadis, Utopie? Rainer Forst über das Verhältnis von Utopie und Ironie

Von Steffen Andrae

Utopisches Denken hat es nicht leicht. Sein wesentlicher Gehalt – dass es über die gegebene Wirklichkeit hinausweist und eine neue, mögliche andere antizipiert – scheint prinzipiell ambivalent. Einerseits ist utopisches Denken unabdingbar für die Problematisierung bestehender Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnisse. Ein präziser und kritischer Sinn für die Wirklichkeit des Hier und Jetzt speist sich aus einer Idee von Möglichkeit, also aus der Vorstellung, dass es auch anders sein könnte. Andererseits unterliegt utopisches Denken stets einem gewissen Verdacht. Denn Versuche, eine neue Gesellschaft und den dazugehörigen Menschen zu begründen, sind mit Risiken verbunden: sie können, indem sie das vermeintlich Richtige durchzusetzen versuchen, totalitär werden.

Über die Widersprüche und Paradoxien utopischen Denkens sprach Rainer Forst, Professor für Politische Theorie an der Goethe-Universität und Co-Sprecher des Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, am 1. Dezember 2017 im Rahmen der B3 Biennale des bewegten Bildes. In seinem Vortrag mit dem Titel „Utopie und Ironie. Eine Kritische Theorie des Nirgendwo“ untersuchte er, ob Ironie ein mögliches Korrektiv der Fallstricke utopischen Denkens darstellt. Anhaltspunkte für diese Annahme suchte Forst in einem der Klassiker neuzeitlicher Utopien: Thomas Morus' Utopia – Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia von 1516.

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Eine Insel bitte. Brooke Harrington über Steuerparadiese, Vermögensverwalter und ihre Kunden

Von Jerzy Sobotta

Stellen Sie sich vor, Sie gehören zu den reichsten Menschen der Welt. Sagen wir, zu den acht reichsten, denn denen gehört mittlerweile die Hälfte des weltweiten Vermögens. Ein hartes Leben, denn alle wollen an Ihr Geld: Ihre Kinder, Ihre Liebschaften, Ihre Ehepartner und – der Fiskus. Was können Sie dagegen tun? Kaufen Sie sich doch einen Staat. Keinen großen. Ein kleiner reicht, am besten ist er bankrott, von einer Wirtschaftskrise geschüttelt und liegt irgendwo mitten im Ozean. Die Idee stammt von den Vermögensverwaltern aus dem Hause Mossack Fonseca. Die Firma schrieb 1994 die Wirtschaftsgesetze des südpazifischen Inselstaates Niue. Seither können sich die 1400 Einwohner nicht mehr nur mit einem Korallenriff rühmen, sondern auch mit unzähligen Briefkastenfirmen, die das Vermögen von Diamantenhändlern, ukrainischen Oligarchen, Spitzensportlern, saudischen Königen und westlichen Politikern verschwinden lassen.
Über die abenteuerliche Welt der Steuerparadiese hat die Soziologin Brooke Harrington am 27. September 2017 einen Vortrag mit dem Titel "Inequality and the Wealth Management Profession" am Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ gehalten. Viele Jahre verbrachte sie im Kreis derer, die das Vermögen der Superreichen verwalten. Die Ergebnisse ihrer Forschung beschrieb sie im Buch „Capital without borders. Wealth managers and the One Percent“ (Harvard 2016). Darin stellt sie die Strategien und das Selbstbild einer Berufsgruppe dar, die am liebsten unsichtbar geblieben wäre.

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Sprache und Gewalt. Perspektiven aus Theorie und Praxis

Mit: Meron Mendel (Direktor der Bildungsstätte Anne Frank), Natasha A. Kelly (Kommunikationswissenschaftlerin & Autorin) und Nicole Rieber (Berghof Foundation, Globales Lernen für Konflikttransformation)
Moderation: Christopher Daase (Forschungszentrum TraCe) und Rebecca Caroline Schmidt (Clusterinitiative ConTrust, Normative Orders)
Dialogpanel im Rahmen der TraCe-Jahreskonferenz „Language(s) of Violence“

Was ist Befreiung?

Prof. Dr. Christoph Menke (Goethe-Universität, Normative Orders) im Gespräch mit Cord Riechelmann (Autor)
Gesprächsreihe "Frankfurter Schule"

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