Wir trauern um Michael Stolleis (1941-2021)
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- Erstellt am Dienstag, 23. März 2021 11:57
Der Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main trauert um Michael Stolleis, der nach kurzer, schwerer Krankheit am 18.03.2021 in Frankfurt verstorben ist. Er war seit 1975 Professor für Öffentliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte am Fachbereich Rechtswissenschaft, dem er auch nach seiner Berufung in das Amt des Direktors am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte im Jahre 1991 in Forschung und Lehre eng verbunden blieb.
Michael Stolleis hat die deutsche und europäische Rechtsgeschichte sowie das Öffentliche Recht nachhaltig geprägt. Mit der Geschichte des öffentlichen Rechts hat er ein neues Feld der rechtshistorischen Forschung national wie international eröffnet. Seine vierbändige Gesamtdarstellung, inzwischen in viele Sprachen übersetzt, ist eine eindrucksvolle Pionierleistung, die zugleich Maßstäbe gesetzt hat. Seit der 1974 veröffentlichten Münchner Habilitationsschrift über Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht gehörte er zu dem damals noch kleinen Kreis mutiger Wissenschaftler*innen, die sich mit dem Recht und der Rechtswissenschaft dieser Zeit auseinandersetzen; auch danach blieb er dieser Aufgabe in seinen Forschungen treu. Dass dieser Kreis seither größer wurde, ist nicht zuletzt sein Verdienst. Aber auch Schicksale deutscher Juristen jüdischer Herkunft, die Geschichte des Sozialrechts, die Rechtsgeschichte der DDR und Osteuropas sind vor allem durch ihn in das Blickfeld der Rechtsgeschichte geraten. Seine umfassende Gelehrsamkeit ermöglichte es ihm darüber hinaus, originelle Bezüge zu Literatur und Kunst herzustellen und sich in interdisziplinären Forschungsprojekten zu engagieren.
Als Principal Investigator und später als assoziiertes Mitglied des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ hat er seit 2007 maßgeblich zum Erfolg dieses Forschungsverbunds beigetragen, vor allem in der ersten Phase bis 2012 als Leiter der Projekte über „Regulierte Selbstregulierung in rechtshistorischer Perspektive“ und „Die Entstehung nationaler Rechtssysteme im postosmanischen Südosteuropa.“ Die bis heute fortdauernde enge und produktive Kooperation zwischen dem Forschungsverbund und dem Max Planck-Institut ist ihm zu verdanken. Schließlich hat er sich um die engagierte Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdient gemacht. Für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen wurde er mit höchsten Preisen und Auszeichnungen geehrt, u.a. dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, dem Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste, dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Preis der Internationalen Balzan Stiftung und dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart. Er war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Akademien des In- und Auslands, u.a. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina. In Dankbarkeit und Trauer verabschieden wir uns von ihm. Wir werden ihn in ehrendem Andenken bewahren.