Das Postdoc-Programm des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“: Nachwuchsförderung zwischen 2017 und 2020
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- Erstellt am Mittwoch, 14. April 2021 08:35
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist seit je her ein integraler Bestandteil des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Das 2017 neu strukturierte, verbundseigene Postdoc-Programm bietet die besten Bedingungen zu forschen und hochqualifizierte junge Wissenschaftler*innen zu fördern. Die Erfolge sprechen für sich.
Dank der hohen internationalen Sichtbarkeit des Verbundes wurden zwischen 2017 und 2020 aus den unterschiedlichsten Disziplinen herausragende Forscher*innen angezogen. So konnte das Recruiting international, interdisziplinär und mit einem besonderen Augenmerk auf die Erhöhung des Anteils von Wissenschaftlerinnen erfolgen.
Die explizit interdisziplinäre und internationale Ausrichtung des Programms hat im Verlauf der drei Jahre eine Vernetzung der Early Career Researchers über die Disziplin- und Verbundgrenzen hinaus vorangetrieben. Insbesondere der wissenschaftliche Austausch mit den Principal Investigators des Verbunds, aber auch gemeinsam organisierte Veranstaltungsreihen, Publikationsprojekte, Workshops und Klausurtagungen boten den Teilnehmer*innen des Programms einzigartige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit untereinander und mit der internationalen Wissenschaftscommunity.
Franziska Fay, die nach ihrer Promotion an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London Teil des „Normative Orders“ Postdoc-Programms wurde und kürzlich auf eine Professur in Mainz berufen wurde, schildert ihre Erfahrung:
„Mein erstes Buch Disputing Discipline: Child Protection, Punishment and Piety in Zanzibar Schools erscheint im April (2021) bei Rutgers University Press. Ebenfalls im April trete ich eine neue Stelle als Juniorprofessorin für Ethnologie am Institut für Ethnologie und Afrikastudien an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz an. Die uneingeschränkte Unterstützung, die ich für meine Arbeit am und vom Forschungsverbund Normative Ordnungen während der letzten Jahre erhalten habe, hat es mir ermöglicht diese zentralen Momente in meiner akademischen Laufbahn zu erreichen.“
Es entstanden systematisch produktive Dialoge, die wiederum die Innovationskraft der einzelnen Forschungsprojekte befruchteten. Der Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ bekräftigte dabei stets Initiativen, die den Aufbau von soliden und nachhaltigen Netzwerken anzielen. Dazu gehörten beispielsweise auch die Partizipation von Wissenschaftler*innen in internationalen Diskussionsforen oder die aktive Unterstützung bei der Durchführung von Feldforschungsvorhaben bei gleichzeitiger Förderung autonomer Forschung:
„Die Teilnahme am Postdoc-Programm von Normative Orders kam für mich genau zur rechten Zeit. Nachdem ich auf meiner vorherigen Stelle in den regulären universitären Lehrbetrieb eingebunden war und zeitgleich ein größeres DFG-Projekt geleitet habe, eröffnete mir die Position im damaligen Exzellenzcluster wichtige Freiräume, um mich intensiv den empirischen Arbeiten in dem Projekt und der Publikation der Ergebnisse zu widmen. Dank der inspirierenden Einbindung in ein internationales Netzwerk anderer Postdocs konnte ich mir zudem neue Themenfelder erschließen und hatte großzügige eigene Mittel zur Verfügung, um an Tagungen teilzunehmen und Veranstaltungen auszurichten. Insgesamt waren das ideale Ausgangsbedingungen, von denen aus ich mich erfolgreich um meine erste Lebenszeitprofessur beworben habe." (Prof. Dr. Patrick Sachweh, ehemaliger Teilnehmer des Postdocs-Programms und inzwischen Professor am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen)
Zwischen 2017 und 2020 hat der Verbund insgesamt 19 Forschungsprojekte unterstützt, die thematisch nach ihrem Beitrag zum Forschungsprogramm des Verbunds ausgewählt wurden. Ziel war, in der Forschung zur konstituierenden Rolle der Rechtfertigungsdimension von Normativität in systematischer und historischer Hinsicht den Blick auf die Gegenwart zu schärfen. Ein besonderes Augenmerk der geförderten Projekte lag daher auf den aktuellen Krisen normativer Ordnungen. So haben die Postdoktorand*innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen und Perspektiven über gegenwärtige Krise(n) reflektiert, etwa aus der Philosophie, den Rechtswissenschaften, der Politikwissenschaft und Politischen Theorie, der Soziologie und den Sozialwissenschaften, der Ethnologie und den Kulturwissenschaften sowie aus Geschichts- und Religionswissenschaft.
Aus dieser vielfältigen Gruppe entstanden transdisziplinäre und sich gegenseitig ergänzende Beiträge zu aktuellen Debatten um Themen wie (die Krise der) Rechtsstaatlichkeit, Legitimität im internationalen Recht und Kritik der Justiz. Auch zentrale Fragen zur gegenwärtigen politischen und philosophischen Auseinandersetzung über Konservatismus, Fortschritt, Populismus und politischer Kultur standen im Zentrum der Forschungsarbeiten der Postdoktorand*innen. Ebenso wurden demokratische Hoffnung und die umstrittene Frage der politischen Verpflichtungen in krisenhaften Situationen aus einer theoretischen Perspektive diskutiert; Pluralität, Religion und die Herausbildung von normativen Ordnungen wurden in spezifischen geographischen Kontexten thematisiert und der Umgang mit Katastrophen und der Umwelt kritisch erörtert. Überdies wurde die Untersuchung von sozialer Ungleichheit und Solidarität vorangetrieben und ein weiterer Schwerpunkt auf die normative Ordnung des Internets und die Rolle des Internets als öffentlicher Raum gelegt.
„Es gab und gibt keinen besseren Ort, um über die Ordnung der digitalen Normen und die Normen der Ordnung der Digitalität nachzudenken als den Forschungsverbund „Normative Ordnungen“. Ich konnte im Rahmen des Postdoktorand*innenprogramms meine Forschungen frei gestalten und habe mir so das Forschungsfeld (private) Ordnungsbildung im Internet erschlossen. 2019 wurde ich mit einer Arbeit über die normative Ordnung des Internets an der Goethe-Universität habilitiert, mit Deutschlands erster Venia für (u.a.) „Internetrecht“. Das von mir mit Thorsten Thiel ins Leben gerufene Frankfurter Internetkolloquium läuft immer noch erfolgreich im 10. Semester. Nur durch die bereichernde interdisziplinäre Vielfalt am Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ war es mir möglich, die Normen der Macht und die Macht der Normen im Netz auf Geltung und Geltungsgründe zu befragen.“ (Matthias C. Kettemann, ehemaliger Teilnehmer des Postdoc-Programms, Forschungsprogrammleiter am Hans-Bredow-Institut Hamburg (Leibniz-Institut für Medienforschung) und Autor der Studie „The Normative Order of the Internet“, Cambridge University Press, 2020)
Die Ergebnisse ihrer Forschungen haben die Wissenschaftler*innen im Rahmen von Veranstaltungen, etwa innerhalb der Reihe „Postdoctoral Dialogue Series ‚Norms, Plurality and Critique‘“ erfolgreich präsentiert. Als analoge und digitale Formate wurden die Workshops, Buchvorstellungen und Seminare dieser Reihe, auch durch externe Wissenschaftler*innen oder die breite Öffentlichkeit, gut besucht.
Nicht zuletzt erschienen zahlreiche Publikationen, welche im Postdoc-Programm des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ entwickelt wurden, bei hochrangigen Verlagen im In- und Ausland. So erschien erst kürzlich Sophie Møllers „Kant's Tribunal of Reason. Legal Metaphor and Normativity in the Critique of Pure Reason“ (Cambridge University Press, 2020), welches hohe Anerkennung nicht zuletzt durch führende Kantforscher*innen erfuhr. Auch die Monographien „Geistig-moralische Wende. Die Erschöpfung des deutschen Konservatismus“ (Matthes & Seitz, 2018) und „The Political Theory of Neoliberalism“ (Stanford University Press 2018, deutsche Übersetzung 2021 im Suhrkamp Verlag) von Thomas Biebricher illustrieren exemplarisch den Erfolg des Programms: die Werke haben großen medialen Widerhall gefunden und wurden in verschiedenen Medien (etwa Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Die Zeit) weit über den wissenschaftlichen Kreis hinaus diskutiert. Das Buch „Navigating Normative Orders - Interdisciplinary Perspectives“, herausgegeben von Matthias C. Kettemann und erschienen in der verbundseigenen Schriftenreihe „Normative Orders“ im Campus Verlag, versammelte 2020 resümierende Forschungsbeiträge von Nachwuchswissenschaftler*innen, die im Verbund tätig waren und sind. Über ein breites Spektrum spiegelt der Band so den Dialog zwischen den Perspektiven wider, die die Methodologie normativer Ordnungen den Teilnehmer*innen des Programms bot.
Die im Postdoc-Programm gesammelten Erfahrungen trugen maßgeblich zur Beförderung der akademischen Karriere der Early Career Researchers bei, wie Thomas Biebricher berichtet:
„Meine Arbeit als Nachwuchsgruppenleiter am Exzellenzcluster hat mich in vielerlei Hinsicht als Forscher geprägt. Zunächst handelte es sich um meine ersten Erfahrungen, was die Betreuungen von Dissertationen angeht, und vor allem geschah dies eben nicht allein individuell auf bilateraler Ebene, sondern im Kontext einer Forschungsgruppe bestehend aus Soziolog_innen und Philosophen. Uns waren, was die Aktivitäten der Gruppe angeht, eigentlich keine Grenzen gesetzt, wir verfügten über ein eigenes Budget und organisierten so eine Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen für die Gruppe oder auch ein Publikum. Auch diese Erfahrung autonomer Gestaltungsmöglichkeiten und finanzieller Unabhängigkeit hat mich gut vorbereitet für die zukünftige Arbeit als Professor.“ (Thomas Biebricher, ehemaliger Teilnehmer des Postdocs-Programms, inzwischen Associate Professor an der Copenhagen Business School und gefördert durch das Heisenbergprogramm der DFG)
Neben Thomas Biebricher haben viele weitere Wissenschaftler*innen des Programms mittlerweile renommierte Anschlussstellen gefunden. So hat beispielsweise Matthias C. Kettemann 2021 der Ruf auf die Professur für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck ereilt. Jakob Huber erhielt kürzlich ein „Freigeist-Fellowship“ der Volkswagen Stiftung an der FU Berlin. Javier Burdman ist Marie Curie Research Fellow am Institut für Philosophie der Université de Strasbourg, Greta Wagner seit 2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der TU Darmstadt. Jason Mast erhielt ein Marie Curie Global Fellowship der Yale University, welches im April 2021 beginnt.
Diese Ergebnisse, hier schlaglichtartig zusammengefasst, sind ein Beleg für die erfolgreiche Nachwuchsarbeit und Karriereförderung des Verbunds, welche durch die Unterstützung des Landes Hessen sowie durch den Johanna-Quandt-Jubiläumsfonds ermöglicht wurde. Dadurch ist es gelungen, die Early Career Researchers nicht nur in ihren Forschungsprojekten zu unterstützen, sondern auch für den internationalen Wettbewerb bestmöglich zu positionieren und wissenschaftliche Zukunftsperspektiven aufzubauen.
Ausführliche Informationen zu den durchgeführten und noch laufenden Forschungsprojekten im Postdoc-Programm finden Sie hier...