Die Wohnungsfrage ist der schwerste Wahlprüfstein. Oberbürgermeister-Kandidaten erläutern ihre Ideen für die Wissenschaftsstadt Frankfurt
emm. FRANKFURT. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität, wird den Halbsatz gern vernommen haben: "Aufstocken geht", sagte der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Er bezog sich damit auf Überlegungen, geplante neue Studentenwohnheime mit zwei zusätzlichen Geschossen zu versehen. Damit allein aber dürfte die Lücke von gut 2000 fehlenden Wohnheimplätzen in Frankfurt nicht geschlossen werden.
Das studentische Wohnen in einer teuren Stadt ist einer der fünf "Wahlprüfsteine", mit denen sich gestern die Kandidaten der im Römer vertretenen Parteien für das Oberbürgermeisteramt - außer Feldmann Bernadette Weyland (CDU), Nargess Eskandari-Grünberg (Die Grünen), Janine Wissler (Die Linke) und Nico Wehnemann (Die Partei) - auseinandersetzten. Formuliert worden waren die Kriterien von der "Frankfurter Wissenschaftsrunde". Auf die Bewerber warteten außer dem Wohnraumthema noch weitere Fragen: Wie stehen sie zu Kooperationen mit den Hochschulen? Wie wollen sie die sogenannte Campusmeile am Alleenring ausbauen, an dem der Uni-Campus Westend, die Frankfurt School of Finance and Management und die Frankfurt University of Applied Sciences liegen? Wie sollen Internationalität und Migranten gefördert werden?
Rund 70 000 Studenten und 10 000 Mitarbeiter zählen die Frankfurter Hochschulen und außeruniversitären Forschungsstätten, das sind knapp zehn Prozent der Bevölkerung. "Eine Branche, die offenbar sehr gut funktioniert, so wenig wie darüber geredet wird - wenn man es mit den Banken vergleicht", bemerkte Wolff trocken.
Die "Frankfurter Wissenschaftsrunde", ein loser Verbund der in Frankfurt und dem nahen Umland ansässigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, hat sich mit der Veranstaltung gestern erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf Initiative von Wolff und Frank Dievernich, dem Präsidenten der Frankfurt University of Applied Sciences, hatte sich das Bündnis im vergangenen Jahr gebildet. Sein Ziel ist es laut Dievernich, die Bedürfnisse der Wissenschaftsgemeinde an die Stadt heranzutragen und als Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft zu dienen.
Über die Frage, ob die Stadt oder das Land schuld daran sei, dass die Wohnheimpläne für den alten Botanik-Campus an der Siesmayerstraße nicht vorankämen, stritt Feldmann gestern mit seiner Konkurrentin Weyland, bis vor kurzem hessische Finanzstaatssekretärin. Wissler wiederum kritisierte die Grundstückspolitik des Landes mit Blick auf den Kulturcampus Bockenheim: Normale Studenten könnten sich die teuren Wohnungen dort nicht leisten.
In der Verkehrspolitik waren sich die Kandidaten beinahe einig: Es müsse mehr öffentlichen Nahverkehr geben, um die Hochschulstandorte zu verbinden. Feldmann spricht von einer inneren und einer äußeren Ringlinie, Wissler will gezielt Lücken schließen und dazu die Verbindung von Fahrrad, Bus und Bahn stärken. Eskandari-Grünberg sagte, sie habe ein schlüssiges Konzept für das "Ein-Euro-Ticket" und für Radschnellwege vorgelegt. Dass bei Verkehrsentwicklung, Verwaltungsvereinfachung und der Unterstützung von Start-ups die Verbindung von Wissenschaft und Politik erwünscht sei, auch darin stimmten die Bewerber überein - wobei Wissler sich für die Unabhängigkeit der Wissenschaft aussprach, Weyland hingegen für den Schulterschluss mit der Wirtschaft und Eskandari-Grünberg für mehr Nachhaltigkeit statt kurzfristiger Projekte. Die Grünen-Kandidatin verlangte zudem, studierende Migranten besser zu betreuen.
Dass die Kooperation von Wissenschaft und Politik nötig sei, gab sogar Wehnemann zu, dem es trotz wackeren Bemühens nicht immer gelang, in der Rolle des Nonsenskandidaten zu bleiben. Offenbar erfüllt das hehre Ziel, Frankfurt zur "Science City" zu machen, selbst Spottvögel mit einer gewissen Ehrfurcht.
F.A.Z., 13.02.2018, Hochschule (Rhein-Main-Zeitung), Seite 36. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv