Gefährdete Grundwerte. Schauspiel Frankfurt mischt sich in die gesellschaftliche Debatte ein
Das Schauspiel Frankfurt bezieht politisch Stellung. Nicht nur mit den Inszenierungen seines Spielplans, sondern auch mit einzelnen Veranstaltungen. Am Montag, 10. Dezember, öffnet Intendant Anselm Weber das Große Haus für einen Abend von Amnesty International zum 70. Jubiläum der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte".
Gäste wie der stellvertretende hessische Ministerpräsident Tarek Al-Wazir, die Journalistin Mesale Tolu oder FR-Chefredakteurin Bascha Mika sprechen und diskutieren über Flucht und Asyl, politische Verfolgung und den Kampf für Meinungsfreiheit. Tolu zum Beispiel, die in der Türkei als Reporterin und Übersetzerin arbeitete, war dort 2017 festgenommen und schließlich kurz vor Weihnachten entlassen worden. Erst im August 2018 durfte die türkischstämmige Deutsche nach Deutschland ausreisen.
Das ist nur ein Beispiel für das gesellschaftliche Engagement des Schauspiels. Mit dem Start der neuen Spielzeit hat im Haus die Vortragsreihe "Denkraum" begonnen. Ihr Hintergrund ist das bevorstehende 70-jährige Jubiläum des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland im Mai 2019. "Denkraum" verweist darauf, dass es um die Werte der Verfassung schlecht bestellt ist, "wenn in politischen Debatten das Recht des anderen infrage steht, wenn die Welt des Digitalen keine Wahrheit und kein Gesetz mehr anerkennt und nur noch Selbstverwirklichung auf den Fahnen einer freien Gesellschaft steht".
Aber es geht nicht einfach nur um eine Reihe von Vorträgen. Nach jeder Rede erhalten die Zuhörer die Gelegenheit, in kleinen Tischrunden mit jeweils zehn Personen über das Gehörte zu diskutieren. Das Publikum kann auch Fragen an den Vortragsgast stellen.
Am 29. Januar 2019 spricht der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen zum Thema "Meinungsfreiheit - Wie verändert sich das Kommunikationsklima?". Am 26. Februar geht es bei Ute Sacksofsky, Professorin für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität, um Geschlechtergerechtigkeit.
Am 19. März fragt der Kultursoziologe Andreas Reckwitz: "Was bleibt vom Allgemeinen, wenn alle das Besondere wollen?" Und am 2. April spricht die frühere Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, über Privatsphäre.
Intendant Anselm Weber setzt konsequent um, was er schon 2017 in seinem Antrittsinterview mit der FR angekündigt hatte: Er wolle eine öffentliche Diskussion über Werte beginnen. Es gelte, die Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft gegen den neuen Rechtspopulismus zu verteidigen.
Von Claus-Jürgen Göpfert. Frankfurter Rundschau, 06.12.2018, Seite F5. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Rundschau GmbH, Frankfurt