Lernen und forschen in Kanada
Fachhochschule und Goethe-Universität unterhalten Partnerschaften in Toronto
VON GEORG LEPPERT
Martina Klärle hat eine etwas eigentümliche Handtasche auf die Delegationsreise der Stadt Frankfurt nach Toronto mitgenommen. Das gute Stück beinhaltet Sonnenkollektoren, was derart ungewöhnlich ist, dass die Vizepräsidentin der Frankfurter University of Applied Sciences (früher: Fachhochschule) einige Probleme bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen bekam. Wenn Klärle die Tasche in die Sonne legt, laden sich die Kollektoren auf und geben die Energie an eine ebenfalls eingebaute Powerbank weiter. Damit lassen sich dann etwa Laptops oder Handys aufladen. Klingt alles ungemein innovativ. Blöd nur, dass in Toronto in diesen Tagen so gut wie nie die Sonne scheint.
Doch für das fast schon herbstliche Wetter in der Frankfurter Partnerstadt können weder Klärle noch Steven Liss etwas. Liss ist Vizepräsident an der Ryerson University in Toronto und findet beim Besuch der Frankfurter Delegation nur gute Worte für die Partnerschaft mit der Fachhochschule.
Tatsächlich arbeiteten die Hochschule am Nibelungenplatz und die ebenfalls auf Technik und Architektur ausgerichtete Ryerson University schon zu einer Zeit zusammen, als die Freundschaft zwischen Frankfurt und Toronto als eingeschlafen galt. Seit 24 Jahren besteht die Kooperation. Geht es nach der Umweltwissenschaftlerin Klärle, die sich auf Projekte mit Solarenergie spezialisiert hat, wird die Partnerschaft noch ausgebaut.
Denn die "Ryerson", die mit 25 000 Studierenden etwa doppelt so groß ist wie die Fachhochschule, setze auf die wichtigen Themen, führt Klärle in Toronto aus. Etwa auf die Entwicklung sogenannter Smart Cities, was frei übersetzt bedeutet: Gerade bei der Bewältigung von Verkehrsproblemen in den immer größer werdenden Städten müssen neue, Lösungen gefunden werden - die meist auf Datenaustausch in der virtuellen Welt basieren.
Kein Interesse an Austausch
Ortswechsel. Während die "Ryerson" einen eher schlicht gehaltenen Campus etwas nördlich der Innenstadt hat, wird es anderthalb Kilometer weiter prachtvoll. Das Gelände der University of Toronto sieht aus, wie man es von einer alten, nordamerikanischen Hochschule erwartet. Zwischen den Fakultätsgebäuden gibt es weitläufige Grünflächen.
Rolf van Dick fühlt sich hier wohl. Der Sozialpsychologe ist Vizepräsident der Goethe-Universität und kümmert sich um die Partnerschaften von Hessens größter Hochschule. Mit der 1827 gegründeten Uni in Toronto, an der mehr als 70 000 junge Menschen studieren, kooperieren die Frankfurter seit zehn Jahren. Das betrifft sowohl die Forschung als auch die Lehre. Der Frankfurter Philosoph Rainer Forst, Leiter des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen", besucht etwa regelmäßig Toronto.
Zudem gibt es einen Studierendenaustausch, der aber ebenso klein wie fein ist. Gerade die Studierenden aus Toronto, die teils hohe Studiengebühren bezahlen müssen, hätten kaum Interesse daran, für ein ganzes Semester nach Frankfurt zu gehen. Denn oft verlören sie dann in ihrem Fach den Anschluss und müssten ein weiteres teures Semester opfern. Deshalb bietet die Goethe-Uni den kanadischen Studierenden "Summer Schools" an. Dabei werden zumindest Grundlagen eines Fachs in zumeist vier Wochen vermittelt.
Dabei muss es aber nicht bleiben. In der Frankfurter Delegation gab es Überlegungen, die Studierenden aus Toronto am sogenannten Unibator-Programm der Goethe-Uni teilhaben zu lassen. Dabei werden Studierende oder junge Absolventen, die ein Start-up gründen, von Experten der Uni unterstützt. Und wer weiß: Vielleicht entwickelt ein Student aus Toronto demnächst Taschen mit Solarkollektoren, mit denen es am Flughafen keine Probleme gibt.
Von Georg Leppert. Aus der Frankfurter Rundschau vom 18. September 2019. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Rundschau GmbH, Frankfurt.