Von kritikbereiten Bürgern
Haus der Demokratie: Debatte im Architekturmuseum
Manchmal kommen die interessantesten Beiträge einer Diskussionsveranstaltung aus dem Publikum. Unter der Überschrift "Neue alte Paulskirche" hatten im Deutschen Architekturmuseum drei Spezialisten für Architektur und Demokratie mit Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) über ein künftiges Demokratiezentrum in der Nähe der noch zu sanierenden Paulskirche debattiert. Aus den Reihen der engagierten Zuhörer folgten Fragen und Einwände: "Ein eigenes Demokratiezentrum hat etwas Autoritäres", war zu vernehmen, und: "Wird die Paulskirche damit nicht entwertet?"
Und weiter: Wie wäre es mit dezentralen Orten für eine Demokratiedebatte, die in der Paulskirche als "virtuelles Bild" gebündelt werden könnten? Bei nur 28 Veranstaltungen jährlich könnte man die Paulskirche doch selbst als Demokratiezentrum nutzen statt einen Neubau zu errichten, hieß es. Dafür müsste man weder Bäume auf dem Paulsplatz fällen noch der Stadtkämmerei aufs Dach steigen oder gar die Walter-Kolb-Eiche auf dem Parkplatz neben der Paulskirche fällen.
Als diese Denkanstöße geäußert wurden, hatte Feldmann das Podium der Frankfurter Bürgeruniversität schon verlassen. Eröffnet worden war es von Gastgeber Peter Cachola Schmal, der sich darüber freute, dass die Stadtverordneten die Paulskirche nach dem Leitbild von 1948 sanieren wollen, anstatt den Vorkriegsbau zu rekonstruieren. In seinem Grußwort beschwor Feldmann den Geist Frankfurts als "radikaldemokratischer" Stadt. Diskutiert werden müsse jetzt: "Welche Veranstaltungen wollen wir in der Paulskirche? Wie museal darf es sein? Wo soll das Demokratiezentrum hin?" Der Begriff "Haus der Demokratie", der unlängst bei einer Debatte unter Historikern präferiert worden war, wurde nicht verwendet.
Rainer Forst, politischer Philosoph und Direktor des Kooperationspartners Forschungsverbund "Normative Orders", nannte die Paulskirche Ort historischer "Hoffnungen und Niederlagen". Angesichts der Gefahr autoritärer Aushöhlung der Demokratie kam er zu dem Schluss: "Wir sind Zeitgenossen der 1848er." Für diese sei die Einheit der Nation eine Voraussetzung gewesen, republikanische Verhältnisse zu schaffen. Heute sei der Nationalismus der Feind der Demokratie. Das Ethos der Demokratie müsse lebendig gehalten werden.
Aber wo? Das fragte Forsts Geschäftsführerin Rebecca Schmidt als Moderatorin der Diskussion zwischen der Politikwissenschaftlerin Brigitte Geißel, dem Architekturhistoriker Carsten Ruhl, beide von der Goethe-Uni, sowie Schmal und Feldmann. Fast wichtiger als das Demokratiezentrum schien für Ruhl die Anrede als "Architekturwissenschaftler" zu sein, womit er seinen Kollegen Schmal bestätigte, der moniert hatte, man denke zu wenig ans große Ganze.
Feldmann machte einen Formulierungsvorschlag: "Für sich in Verantwortung für die anderen mit." Er wolle nicht mehr über Steine, Heizung oder Akustik reden, sondern über den politischen Prozess. Kaum war der Oberbürgermeister zum nächsten Termin geeilt, äußerte Schmal, dieser Prozess werde so lange dauern, dass Feldmann das Demokratiezentrum nicht mehr eröffnen könne; vielleicht werde es 2027 fertig.
Brigitte Geißel brachte eine Idee von der universitären Forschungsstelle Demokratische Innovationen mit. Eine Zufallsauswahl von Bürgern solle zwei Wochen lang über das Demokratiezentrum diskutieren und Vorschläge erarbeiten, die dann in einen Bürgerentscheid eingehen sollten. So ein Diskussionsprozess, unbeeinflusst von Lobby-Interessen, sei am wichtigsten. Es sei Bürgerpflicht, die Politik zu beobachten und einzugreifen. "Je kritikbereiter die Bürger, desto besser funktioniert der Staat", weiß Geißel aus neuen Studien. Auch Ruhl fand: "Der Prozess ist wichtiger als gebaute Formen." Aber: "Auch Ideen führen zu Baustellen", wandte Schmal ein und schätzte den Flächenbedarf für ein Demokratiezentrum auf einige tausend Quadratmeter.
c.s.
Von Claudia Schülke aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Rhein-Main-Zeitung), Seite 31 vom 13. November 2019. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv