Projektleitung: Prof. Dr. Martin Seel
Innerhalb der Moraltheorie besteht eine Kontroverse darüber, ob der Orientierung am moralisch Richtigen oder Gerechten ein Primat gegenüber der Orientierung am ethisch Guten zukommt. Die Kontroverse über die Frage, welche Beziehung zwischen Moral und Ethik im Sinne der Theorie des guten Lebens existiert, geht auf die Gegenüberstellung eudaimonistischer und deontologischer Ethiktypen und konträre Formen der Moralbegründung in der aristotelischen und kantischen Tradition zurück. Während einige Autoren die Auffassung vertreten, dass die Moral von der Ethik im Sinne der Theorie des guten Lebens unabhängig ist, argumentieren andere Autoren für eine Kontinuität von Ethik und Moral. Auf der einen Seite verweisen Theorien über den Vorrang des moralisch Richtigen darauf, dass ethische und moralische Forderungen in ihrer Sollgeltung differieren; auf der anderen Seite behaupten Theoretiker des ethisch Guten, dass ohne den Einbezug ethischer Überzeugungen der Inhalt der Moral und die Quelle moralischer Motivation rätselhaft sind.
Gemäß einer Theorie des Guten bilden die für das menschliche Wohlergehen unerlässlichen Güter den Inhalt moralischer Bewertungen; die moralische Unparteilichkeit lässt sich dann als Unparteilichkeit in Bezug auf den Zugang zum guten Leben verstehen. Außerdem hört die moralische Motivation auf, rätselhaft zu sein, wenn sich der Moral eine positive Funktion für das auf das Glück oder Wohlergehen gerichtete Wollen zusprechen lässt. Insofern die Moral eine notwendige Voraussetzung für das Glück darstellt, lässt sich auch eine Antwort auf die Frage geben, warum es vernünftig ist, moralisch zu sein. Allerdings müssen Theorien des Guten nachweisen, dass das Wohl anderer einen Bestandteil der Glückskonzeption bildet. Zusätzlich wird gegen Theorien des Guten der Einwand vorgebracht, dass eine Grundlegung der Moraltheorie in einer Theorie des guten Lebens moralische Normen auf Werte zurückzuführen droht, die in konkreten Gemeinschaften Anerkennung genießen. Theoretiker des Guten können sich jedoch auf minimale Annahmen beschränken und diejenigen universalen Güter auszeichnen, die zum Erwerb der Fähigkeit, ein gutes Leben zu verfolgen, ohne Auszeichnung bestimmter Ziele notwendig sind.
Das Projekt diskutierte die Vorzüge und Defizite von Theorien, die entweder von einer Kontinuität von Ethik und Moral oder von einer Autonomie der Moral gegenüber der Ethik ausgehen. Darüber hinaus wurden Optionen erörtert, teleologische Ansätze, für die der Begriff des Guten zentral ist, mit deontologischen Ansätzen systematisch zusammenzuführen, für die ein Primat des moralisch Richtigen besteht.
Neben Beiträgen für Bücher und Zeitschriften sind aus dem Projekt eine Monographie (Seel, Martin (2011): 111 Tugenden, 111 Laster. Eine philosophische Revue, Frankfurt/M.) und ein Sammelband (Vesper, Achim (2013): Moral und Sanktion. Eine Kontroverse über die Autorität moralischer Normen, Frankfurt/New York (hg. mit Eva Buddeberg), darin: „Beruht Moral auf Sanktion? Eine Problemübersicht“" (mit Eva Buddeberg), 9-31) hervorgegangen.
Außerdem wurden im Rahmen des Projektes verschiedene Veranstaltungen durchgeführt, dazu zählen: „Moralische Normen und Sanktionen“, Panel auf der 1. Nachwuchskonferenz des Exzellenzclusters Normative Orders „Normative Ordnungen: Rechtfertigung und Sanktion“, Goethe-Universität Frankfurt, 24.-25.10.2009; „Die Normativität der Moral: Gibt es einen Vorrang des „Richtigen“ vor dem „Guten“?“, Tagung, Exzellenzcluster Normative Orders, Forschungskolleg Humanwissenschaften Bad Homburg, 08.-09.07.2010.