Projektleitung: Prof. Dr. Harald Müller
Das Projekt hinterfragte westliche Universalitätsansprüche. Anstelle der klassischen Kommunitarismus-Universalismus-Kontroverse der politischen Theorie wurden empirische Studien in Anschlag gebracht. Die Forschung wurde in zwei Richtungen vorangetrieben. Zum einen wurde die Problematik der normbegründeten westlichen Kriegführung und deren Verwicklung in Widersprüchlichkeiten vor Ort an Hand der Entwicklung der Rechtfertigungsnarrative für den deutschen Afghanistan-Einsatz untersucht. Zum anderen wurden konkurrierende Vorstellungen von Gerechtigkeit und deren Wirkung in der internationalen Diplomatie untersucht. Die Heterogenität der von internationalen Akteuren vertretenen Normen wurde an Fallbeispielen erhoben – den Debatten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur „humanitären Intervention“ am Beispiel des Sudan-Konflikts sowie zur "Responsibility to Protect". Die Ergebnisse weisen auf gravierende Divergenzen in der normativen Prioritätensetzung zugunsten von Individuen und Kollektiven und einer unterschiedlichen Wertigkeit von „Schutzverpflichtung“ und „Souveränität“ hin. Zum anderen wurde durch eine Kombination von literaturwissenschaftlicher topischer Analyse mit Barthes' Konzept des Mythos ein neuer Zugang zur Selbstabschließung westlicher normativer Vorstellungen für die internationalen Beziehungen entwickelt. Wenn in der westlichen Politik erhobene Universalisierungsansprüche zugunsten eigener Werte in internationalen Verhandlungen auf Widerstand stoßen und sich zeigt, dass verschiedene Begründungsstränge nahezu unterschiedslos in derselben historisch-kulturell produzierten Mythenstruktur wurzeln, dann bietet dieses Ideengefüge keine Grundlage für Universalisierbarkeit. Universalismus, der in der realen Welt Geltung erlangt, ist stattdessen ein empirisches Phänomen, das aus globalen interkulturellen Verhandlungen entspringt.
Zu den wichtigsten Publikationen im Projekt zählen: Müller, Harald (2012): Die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect): Universale Norm oder Schall und Rauch? In: Thomas Nielebock/Simon Meisch/Volker Harms (Hrsg.), Zivilklauseln für Forschung, Lehre und Studium. Hochschulen zum Frieden verpflichtet, Baden-Baden, Nomos, 129-149; Müller, Harald/Wolff, Jonas (2011): Demokratischer Krieg am Hindukusch? Eine kritische Analyse der Bundestagsdebatten zur deutschen Afghanistanpolitik 2011-2011, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, Nr. 4, 197-211; Müller, Harald (2011): „Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden: Die guten Dinge gehen nicht immer zusammen“, in: (Hrsg.): Auf dem Weg zu Just Peace Governance. Beiträge zum Auftakt des neuen Forschungsprogramms der HSFK, Baden-Baden: Nomos, 2011, 277-309 und Harald Müller (2010): „Liberale Demokratien und Krieg. Warum manche kämpfen und andere nicht. Ergebnisse einer vergleichenden Inhaltsanalyse von Parlamentsdebatten“ (mit A. Geis und N. Schörnig), Zeitschrift für Internationale Beziehungen 17, 171-202. Im Rahmen des Projekts wurde u.a. auf der ECPR General Conference, 23.8.-28.8.2011 in Reykjavik, das Panel „How Do We Know Justice When We See it?“ angeboten.