Projektleiter: Prof. Dr. Christopher Daase
Das Projekt ging der Frage nach, wie sich Machtungleichheiten im internationalen System – insbesondere die dominante Position der Vereinigten Staaten – in der institutionellen Ausgestaltung von Global Governance niederschlagen. Dabei ging es in erster Linie um verschiedene Formen der Hierarchisierung von Global-Governance-Institutionen, die in den vergangenen Jahren vielfach beschrieben worden sind. So gibt es einen Trend hin zu informellen, nicht-rechtsverbindlichen Abkommen, zur Kooperation in Gruppen „gleichgesinnter“ Staaten und zur Setzung von Recht im Forum des UN-Sicherheitsrats. Diese Formen internationaler Regelsetzung und informellen Steuerung, die in so unterschiedlichen Politikfeldern wie Handel, Rüstungskontrolle und Terrorismusbekämpfung zu beobachten sind, sind für mächtige Akteure und gerade für die USA als Hegemonialmacht besonders vorteilhaft und werden darum von Völkerrechtlern unter dem Sammelbegriff „hegemoniales Völkerrecht“ diskutiert. Das Projekt untersuchte eine Reihe wichtiger Fragen im Hinblick auf die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung, die in der Literatur zum Thema bisher vernachlässigt wurden:
(1) Gibt es einen langfristigen Trend hin zu hierarchischen Formen von Global Governance über alle Politikfelder hinweg, oder lässt sich ein komplexeres Muster feststellen?
(2) Warum entwickeln sich in unterschiedlichen historischen Epochen und in verschiedenen Politikfeldern unterschiedliche Formen hegemonialer Governance-Institutionen? Diese Fragestellung knüpft an neuere Ansätze in der Theorie der internationalen Beziehungen an, die „Hierarchie“ als eine von Staaten bewusst gewählte Form institutioneller Kooperation und somit als abhängige Variable neu konzipieren.
(3) Wie effektiv ist hegemoniale Steuerung? Entgegen einer Annahme, die der gegenwärtigen Diskussion um Hegemonie und Governance implizit zugrunde liegt, können hegemoniale Staaten internationale Institutionen keineswegs nach Belieben gestalten. Tatsächlich hängt die Wirkung von hegemonialer Steuerung erheblich davon ab, wie nicht-hegemoniale Staaten auf die Initiativen eines Hegemons reagieren. Deshalb ist die Frage von zentraler Wichtigkeit, in welchem Grad, warum und in welcher Form die schwächeren Staaten im System hegemoniale Formen von Global Governance unterstützen oder blockieren.
Diese Fragen wurden anhand einer breit angelegten quantitativen Analyse der historischen Entwicklung von hierarchischen Formen von Global Governance in Verbindung mit ausgewählten Einzelfallstudien geklärt. In den Fallstudien ging es beispielsweise um Initiativen wie die von den USA ins Leben gerufene „Proliferation Security Initiative“ oder um die UN-Sicherheitsratsresolution 1540.
Zu den wichtigsten Publikationen des Projektes zählen:
*Daase, Christopher (2009): „Die Informalisierung internationaler Politik - Beobachtungen zum Stand der internationalen Organisation", in: Klaus Dingwerth/ Dieter Kerwer/ Andreas Nölke (Hg), Die Organisierte Welt: Internationale Beziehungen und Organisationsforschung, Baden-Baden: Nomos.
Daase, Christopher (2009): "The ILC and Informalization“, in: Georg Nolte (Hg.), Peace through International Law. The Role of the International Law Commission. A Colloquium at the Occasion of its Sixtieth Anniversary, Heidelberg: Springer.
*Fehl, Caroline (2010): Living with a reluctant hegemon: Explaining European responses to US unilateralism, Oxford: Oxford University Press.
Fehl, Caroline (2010): “Die ESVP aus konstruktivistischer Perspektive”, in: Matthias Dembinski/ Dirk Peters (Hg.), Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Licht konkurrierender Theorien, Baden-Baden: Nomos.