„Die verbindende Kraft alles Rechts …“ Was bleibt vom revolutionären Verständnis der Rechte?
Ringvorlesung des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen": "Demokratie in der Krise? Bruch, Regression und Resilienz"
Prof. Catherine Colliot-Thélène (Universität Rennes)
Mittwoch, 8. Mai 2019, 18.15 Uhr
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Campus Westend, Hörsaalzentrum, HZ 6
Abstract
Die Besonderheit der modernen Demokratie liegt in ihrer Assoziation mit einer völlig neuen Auffassung der normativen Grundlagen der individuellen Rechte. Diese spezifisch moderne Konzeption, wie sie in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 zu lesen ist, wurde auf philosophischer Ebene von Immanuel Kant erläutert. Sie impliziert eine klare Unterscheidung zwischen politischen Rechten im engeren Sinne und dem paternalistisch begründeten Schutz von Bürgern und Schutzgenossen. Kants Kritik an der „väterliche[n] Regierung (imperium paternale), wo also die Untertanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, sich bloß passiv zu verhalten genötigt sind“, beruht auf dieser Unterscheidung. Das Vergessen und Verschwinden dieser Unterscheidung ist ein beunruhigender Aspekt der Erosion des demokratischen Ethos in den heutigen westlichen Gesellschaften. Diese Erosion wird in diesem Vortrag am Beispiel der jüngsten Gesetzesreformen in Frankreich im Bereich des Arbeitsrechts und der bürgerlichen Freiheiten illustriert.
CV
Catherine Colliot-Thélène ist emeritierte Professorin an der Universität Rennes 1. Von 1999 bis 2004 war sie Direktorin des Centre Marc Bloch in Berlin; danach Gastwissenschaftlerin am Hamburger Institut für Sozialforschung (2008), am Max Weber-Kolleg in Erfurt (2013) und am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main (2015). Sie hat mehrere Bücher dem Werk von Max Weber gewidmet und diverse Texte von ihm ins Französische übersetzt. In jüngster Zeit erschien von ihr die Monographie Demokratie ohne Volk (Hamburger Edition, 2011). Einige ihrer Aufsätze sind auch in deutscher Sprache verfügbar: „Das Gastrecht – oder die Demokratie auf den Prüfstand der Immigration“, in Nele Kortendiek, Marina Martinez Mateo (Hg.): Grenze und Demokratie. Ein Spannungsverhältnis (Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2017); „Politische Subjektivierung im Kontext der Pluralisierung des Rechts“, in Tatjana Sheplyakova (Hg.): Prozeduralisierung des Rechts (Mohr Siebeck, Tübingen, 2018). Ihre aktuelle Forschung bezieht sich auf die normativen Grundlagen der sozialen Rechte, das Gastrecht und die Demokratie in Europa.
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Veranstalter:
Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen"