Das Ringen um dogmatische und hierarchische Normen in der Reichskirche der Spätantike
Die Hinwendung Constantins I. zum Christentum zeigte, wie unvorbereitet Kirche und Kaisertum auf diese neue Situation waren, welche es notwendig machte, zur jeweils anderen Seite Positionen zu entwickeln. Vor allem führte die durch die gegenseitige Annäherung entstehende Notwendigkeit der Konstituierung einer Reichskirche zu plötzlichen heftigen Auseinandersetzungen um die Entwicklung kirchlicher Glaubens- und Funktionsnormen: Wie sollte die Ordnung der Reichskirche aussehen? Welche Funktionsträger sollten sie bestimmen? Verschiedene kirchliche und säkulare Akteure versuchten nun, einander widersprechende Vorstellungen und Ansprüche zur Geltung zu bringen, wobei sie sich verschiedenster Rechtfertigungen und Sanktionsmöglichkeiten bedienten. So wurde – um ein Beispiel zu geben – versucht, den Bischofssitz von Konstantinopel mit der Begründung der politischen Bedeutung der Stadt aufzuwerten, während die kirchliche Konkurrenz dagegen in immer stärkerem Maße ihre eigene Apostolizität betonte.
Abgesehen von der Untersuchung der Herausbildung der Reichskirche, bietet sich das Panel auch für methodische Diskussionen an: Die Geschichtswissenschaft rückt die Herausbildung und Bedingtheiten historischer Situationen ins Zentrum; auch die Formierung der Reichskirche war ein geschichtlicher Prozess, sein Ergebnis auf verschiedensten Ebenen ein bedingtes. Aus dieser Perspektive ist zu fragen, wie Veränderungen normativer Ordnungen geschehen und sich in Äußerungen Beteiligter spiegeln, und wie diese Äußerungen und Rechtfertigungen in Abhängigkeit zu historischen Konstellationen stehen und wirken. Insofern soll es auch um die Anwendung von Theorie auf historische Situationen gehen: Möglichkeiten und Grenzen der Verarbeitung von Leitbegriffen der Konferenz und der dahinter stehenden Theorien auf konkrete historische Situationen können diskutiert werden.
Mögliche Betrachtungsaspekte sind bewusst weit gehalten. Sie reichen vom Donatistenstreit bis zum akakianischen Schisma; sowohl eine innerkirchliche als auch eine auf das Kaisertum zentrierte Perspektive, sowohl dogmatische als auch hierarchische Fragen können im Mittelpunkt stehen. Einzig die Frage, wie und mit welchen Mitteln von Sanktion und Rechtfertigung verschiedene Akteure in der Spätantike um die Normen der Reichskirche rangen, ist vorgegeben. Das Panel richtet sich primär an Vertreter der Alten Geschichte und deren Nachbarwissenschaften wie der Kirchen- und Dogmengeschichte. Da aber ein methodisch-interdisziplinärer Austausch angestrebt ist, sollen sich natürlich auch Interessierte weiterer Fachgebiete angesprochen fühlen. Vorschläge sollten eine Länge von ca. 500 Wörtern haben und bis zum 6. Juli 2009 eingeschickt werden. Es ist geplant, Reise- und Hotelkosten zu bezuschussen. Bitte senden Sie Ihre Vorschläge und wenden sich mit Fragen an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Weitere Informationen finden Sie auf www.normativeorders.net.