„Rule of law“ in British India als Wissenskultur
Verena Steller
Neben Free Trade gehörte die Rule of Law zu den wesentlichen Bestandteilen der Zivilisierungsmission des britischen Empire und sollte in der Musterkolonie Indien zur Geltung kommen. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine einfache Übertragung britischer Rechtsgrundsätze, sondern um einen sehr komplexen Prozess der De- und Reterritorialisierung von ‚lebendem’ Recht und einer ‚Ordnung der Dinge’. Das englische Recht war territorial gebunden, eine Province of Law und stellte eine Kombination aus Rechts- und Diskursform dar, eine Denkweise, eine Form juristischer Argumentation, die tief in ihrem eigenen Geschichtsverständnis wurzelte, mithin ein Amalgam von kulturellem Gedächtnis und Verfassungskultur. Es handelte sich folglich um einen Transfer, der nicht ohne Ambivalenzen bleiben konnte, vor allem angesichts der Paradoxa, die der Rule of Law inhärent waren. Diese sollten besonders da hervortreten, wo Widerstandsrechte des Individuums gegen den Staat geltend gemacht wurden. Der Beitrag möchte dies anhand eines habeas corpus-Falls erörtern.