Die Partikularisierung der politischen Ökonomie im kolonialen Indien: von der Kritik der Britischen „Moral and Material Improvements“ zur Herausbildung post-kolonialer normativer Ordnungen
Katja Rieck
Zwischen dem 16. und 17 Jh. entstand in Großbritannien eine normative Ordnung geleitet von der Idee einer Commercial Society, in der England und seine Kolonien, wie Indien, durch das gemeinsame Common-Wealth miteinander verbunden waren. Diese Vorstellung ging einher mit der Etablierung der politischen Ökonomie als Wissenschaft, die universell gültige Leitlinien für die Verwirklichung dieser normativen Ordnung stellte. Somit wurde die politische Ökonomie zur Wissenschaft des guten Regierens und rechtfertigte zugleich ein Empire of Free Trade. Im Verlauf des 19 Jh. wurden jedoch diese kolonialen Rechtfertigungen scharfer Kritik unterzogen, als die Universalität ihrer Gültigkeit von indischen Intellektuellen zurückgewiesen wurde. Aus der indischen Kritik an der kolonialen Ordnung wurden neue normative Ordnungen entwickelt, welche der Gestaltung eines autonomen Indiens zugrunde liegen sollten. Anhand dieses Fallbeispiels soll beleuchtet werden, wie in der Herausbildung und Transformation normativer Ordnungen nicht nur Vorstellungen mit universalen Geltungsansprüchen – subsumiert unter dem Begriff Wissenschaft - mit der Faktizität partikularer Gegebenheiten konfrontiert werden, sondern dass auch Vorstellungen mit betont partikularen Geltungsansprüchen die normative Grundlage einer Gesellschaft bilden können. Worauf die normative Kraft des Partikularen basiert ist eine Frage, die in diesem Vortag reflektiert wird.