Reihe: Was heißt Gerechtigkeit heute?
Fast scheint es, als hätte die Gerechtigkeit den Wettbewerb gewonnen, welches Gut denn als oberstes der Gesellschaft zu gelten habe. Dabei begegnet uns Gerechtigkeit als ein Ideal, auf das sich verschiedene und auch widerstreitende Akteure berufen, in unterschiedlichsten Bereichen. Beispielsweise begründen wohl ausnahmslos alle, die sich an der Diskussion über die Reform des Sozialstaats beteiligen, ihre gegensätzlichen Positionen – ob für Umbau, Abbau oder Ausbau – mit dem Verweis auf Gebote der Gerechtigkeit. Urteile über das, was gerecht ist, fällen wir meist intuitiv, etwa wenn wir sagen, dass in der Gesellschaft − im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt − Chancengleichheit herrschen sollte oder dass Leistung sich zu lohnen habe. Zugleich zeigt uns die Gerechtigkeitstheorie, wie unterschiedlich Begründung und Ausrichtung ausfallen können.
Eine grundsätzliche Annäherung daran, was politische und soziale Gerechtigkeit heißt, kann als Maßstab und Orientierung für viele aktuelle Diskussionen dienen. Auch gilt es auf den verschiedenen Feldern – von der Bildungs- und Arbeitsgerechtigkeit bis zur Umweltgerechtigkeit, von der Internationalen Gerechtigkeit bis zur Generationengerechtigkeit – immer wieder die konkurrierenden Ansprüche gegeneinander abzuwägen. Die Reihe Was heißt Gerechtigkeit heute wird auf diesen Feldern prinzipielle Erwägungen mit praktischen Erörterungen und lokalen Bezügen verbinden. Für den mitveranstaltenden Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ gehören Fragen der Gerechtigkeit zu den zentralen Forschungsgegenständen. Im Fokus stehen nicht zuletzt die gegenwärtigen Konflikte um die Herausbildung einer neuen globalen Ordnung, die sich zu einem großen Teil aus dem Verlangen der Menschen nach Gerechtigkeit speisen. Auch dabei spielen die vielfältigen und oftmals konträren Überzeugungen der beteiligten Konfliktparteien von einer gerechten Ordnung und deren Rechtfertigung eine maßgebliche Rolle.