Vom Rechtsgüterschutz zur Aufmerksamkeit für das Besondere – Partikularisierung des Strafrechts?
Ringvorlesung des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen": Criminal Justice between Purity and Pluralism - Strafrechtspflege zwischen Purismus und Pluralität
Klaus Günther (Co-Sprecher des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen" und Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht der Goethe-Universität Frankfurt am Main)
3. Mai 2017, 18.15 Uhr
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Campus Westend, Hörsaalzentrum, HZ11
Abstract
Modernes Strafrecht ist Rechtsgüterschutz – so lautet die bis heute gängige Definition. Rechtsgüter sind verallgemeinerte Interessen gleicher Personen, auch dann, wenn sie individuell zugeordnet werden, wie Leib, Leben, Freiheit, Eigentum. In jüngster Zeit wird jedoch immer häufiger gefordert, dass das Strafrecht (mitsamt dem Strafverfahren) vor allem auf individuelle Lebenslagen und Bedürfnisse eingehen solle. Eine zentrale Rolle spielt dabei die öffentliche Zuwendung für das Verbrechensopfer und sein individuelles Leid, dem bisher weder im Strafrecht noch im Strafverfahren die vermeintlich gebotene Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Nicht nur das Strafrecht, sondern das Recht (und die Gerichte) überhaupt zeigten zu wenig Empathie, Einfühlungsvermögen, Verständnis für die konkrete Situation Einzelner. Der Vortrag geht möglichen Motiven dieser Entwicklung nach und fragt (kritisch) nach den normativen Konsequenzen.
CV
Klaus Günther ist Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität und Co-Sprecher des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Er ist Mitglied des Forschungskollegiums am Frankfurter Institut für Sozialforschung sowie Fellow und Mitglied des Direktoriums am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg.
Günther studierte Philosophie und Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität. Von 1983 bis 1996 war er hier wissenschaftlicher Mitarbeiter und Hochschulassistent – u.a. in einer rechtstheoretischen Arbeitsgruppe (1986-1990) unter der Leitung von Jürgen Habermas, in deren Rahmen er promoviert wurde. Seiner Habilitation im Jahr 1997 folgten Berufungen an die EUI Florenz und an die Universitäten Rostock und Zürich, die er ablehnte. Gastprofessuren führten ihn u.a. an die Buffalo Law School (State University of New York), an das Corpus Christi College Oxford, an die École des Hautes Études en Sciences Sociales (Maison des Sciences de l’Homme) Paris, an die London School of Economics, Department of Law, und an die SciencesPo Paris, Ecole de droit. Zu seinen Publikationen gehören: Der Sinn für Angemessenheit (1988, engl. 1993, portug. 2004) und Schuld und kommunikative Freiheit (2005). Er ist Co-Herausgeber der Schriftenreihe Normative Orders (Campus).
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Veranstalter:
Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen"