Das Verbrechen des Holocaust verjährt nicht - Die Aufgaben von Historie und Justiz
XXII. Frankfurter Stadtgespräch
25. April 2019, 19.00 Uhr
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1, Römerberg
60311 Frankfurt am Main
PD Dr. Boris Burghardt (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik, Humboldt-Universität zu Berlin) und Günther Feld (Staatsanwalt a.D., Rechtsanwalt) im Gespräch mit Prof. Dr. Sybille Steinbacher (Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Principal Investigator des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen")
Moderation: Rebecca C. Schmidt (Geschäftsführerin des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“)
„Dadurch war aber der Gerichtshof überfordert, der nur zu einem einzigen Zweck zusammentritt, nämlich dem, Recht zu sprechen“, so Hannah Arendt, Beobachterin des Eichmann-Prozesses, den sie mit einer großen „Anzahl von Aufgaben“ und einer ganzen „Reihe politischer Nebenabsichten“ konfrontiert sah. Seit dem Jerusalemer Prozess des Jahres 1961 und den wenig später beginnenden Frankfurter Auschwitz-Prozessen, initiiert von Fritz Bauer, wird immer wieder über die Rolle der Justiz bei der Aufarbeitung des Holocaust diskutiert. Soll sie die einzelnen Verbrechen aufklären und die Täter schuldig sprechen, oder soll sie auch den Opfern eine Stimme geben und zur historischen Erforschung der Gründe, Ursachen und Folgen dieses Menschheitsverbrechens beitragen? Schon bald werden die letzten mutmaßlichen Täter gestorben sein – wie auch die Überlebenden der Opfergeneration. Was bringt es, Greise vor Gericht zu stellen? Welche Aufgaben hat die Geschichtswissenschaft im Unterschied zur Justiz? Wie sollten sich beide zu den jüngsten Relativierungsversuchen und der Gefahr eines wachsenden Antisemitismus verhalten? Darüber diskutiert Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Instituts sowie Mitglied des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen", mit dem Rechtswissenschaftler Boris Burghardt von der HU Berlin, der die strafrechtliche Aufarbeitung von Unrechtsregimen erforscht, und Günther Feld, der zunächst als Staatsanwalt und dann als Vertreter der Nebenklage an vielen NS-Verfahren beteiligt war.
Die Veranstaltung ist öffentlich. Der Eintritt ist frei
PD Dr. Boris Burghardt ist im Sommersemester 2019 Gastprofessor am Fritz Bauer Institut. Er hat Rechtswissenschaften in Wien, Berlin und Salamanca studiert. 2008 wurde er mit einer Arbeit zum Völkerstrafrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert, 2017 hat er ebenda habilitiert und die Lehrbefugnis für die Fächer Deutsches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Juristische Zeitgeschichte erhalten. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen neben den strafrechtlichen Zurechnungslehren insbesondere im Bereich der strafrechtlichen Aufarbeitung von Systemunrecht. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich mit der Strafverfolgung von NS-Verbrechen und von DDR-Unrecht sowie mit den internationalen Versuchen in Vergangenheit und Gegenwart, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafrechtlich zu ahnden.
Günther Feld war von 1977 bis 2011 Staatsanwalt in Köln und von 2002 bis 2011 Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Feld leitete mehr als zehn Jahre die dortige Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen. Er führte etwa 30 Verfahren gegen SS-Angehörige. Heute arbeitet er als Rechtsanwalt und vertritt Holocaust-Überlebende und deren Angehörige als Nebenkläger in den letzten Auschwitz-Prozessen. In den NS-Prozessen in Lüneburg und Detmold 2015 und 2016 war er als Nebenklägervertreter tätig.
Prof. Dr. Sybille Steinbacher ist seit 2017 Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Professorin für die Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie ist zudem Principal Investigator des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Von 2010 bis 2017 war sie Professorin für Zeitgeschichte (Vergleichende Diktatur-, Gewalt- und Genozidforschung) an der Universität Wien. Gastforschungsaufenthalte führten sie an die Harvard University und das Mandel Center for Advanced Holocaust Studies am U.S. Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. Sie ist Mitglied mehrerer internationaler wissenschaftlicher Gremien, leitet seit 2012 das Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte und gehört dem Herausgeberkreis der Edition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden“ an. Zu ihren Veröffentlichungen zählen u.a.: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte, 4. Aufl., München 2017 (zuerst 2004) und (Hrsg.): Rechte Gewalt in Deutschland. Zum Umgang mit dem Rechtsextremismus in Gesellschaft, Politik und Justiz, Göttingen 2016.
Rebecca Caroline Schmidt hat an der Goethe-Universität Rechtswissenschaft studiert und ist seit Beginn der zweiten Förderperiode am 1. November 2012 Geschäftsführerin des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen". Zuvor war sie bereits an unterschiedlichen universitären Forschungsprojekten sowohl wissenschaftlich als auch als Koordinatorin tätig.
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Veranstalter:
Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ in Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum Frankfurt am Main