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Das Über-Leben der Dinge. Ansätze einer materialen Gedächtnistheorie in Postkonfliktgesellschaften. In: O. Dimbath, M. Heinlein (Hg.): Die Sozialität des Erinnerns: Beiträge zur Arbeit an einer Theorie des sozialen Gedächtnisses, Springer VS: Wiesbaden.
Book chapterAuthor(s): Rauer, Valentin
Year of publication: 2014
Abstract: Nach dem Ende gewaltsamer Konflikte stehen die betroffenen Konfliktparteien vor der Herausforderung, die traumatische Erinnerung der Überlebenden in die neue soziale Ordnung zu integrieren, ohne dass diese Erinnerung den Konflikt wieder aufleben lässt. Über die Formen des Erinnerns und Vergessenes in solchen Postkonfliktgesellschaften ist viel geschrieben worden. Die soziologische Gedächtnisforschung hat dabei insbesondere die Legitimität der Akteure in den Blick genommen. Diese akteurszentrierten Ansätze sind nicht falsch, greifen jedoch zu kurz. Auch materiale Träger vergangener Konflikte ‚überleben‘ den Konflikt und nehmen anschließend eine besondere erinnerungspragmatische Position ein. Ihre bloße Präsenz lässt sich nicht leugnen. Ihr ‚Material‘ verlangt nach einer Auseinandersetzung. Die überlebenden Materialien und Dinge werden entweder von der kollektiven Erinnerungspraxis ausgeschlossen, oder aber selbst zu einem aktiven bedeutungskonstitutiven Teil. Die theoretischen Strukturmuster solcher In- und Exklusionsweisen von Materialien und Dingen aus der öffentlichen Erinnerung werden in diesem Beitrag analysiert. Ziel ist es, den systematischen Ort des Materiellen innerhalb einer soziologischen Gedächtnistheorie auszuloten und mit Blick auf das Gedächtnisdilemma von Postkonfliktgesellschaften zu plausibilisieren. Die folgenden theoretischen Überlegungen kombinieren Ansätze der Mediologie und der Akteur-Netzwerk-Theorie (Callon, Latour) sowie Sprech- und Bildakttheorie (Austin, Bredekamp). Die kommunikations- und handlungstheoretische Grundannahme besagt, dass menschliche Akteure in modernen technisierten Gesellschaften stets über materielle Transaktions- und Übersetzungsketten vermittelt handeln. Es gibt nicht 'den Akteur', sondern nur ein in mediale Transaktionsketten eingebundenes Akteur- Netzwerk. Der Fokus richtet sich also nicht nur auf die inhaltliche Dimension von sozialen Handlungen und Kommunikationsakten, sondern auf die materiellen Grundlagen ihrer medialen Transformation. Der Beitrag gliedert sich in fünf Abschnitte. Zunächst wird kurz der Forschungsstand rekapituliert. Zweitens werden die handlungstheoretischen Grundannahmen kurz umrissen, um darauf aufbauend, drittens, die vorhandenen Ansätze einer materiellen Gedächtnistheorie erläutern zu können. Der vierte Abschnitt enthält eine systematische Weiterführung dieses Ansatzes und plausibilisiert die Systematik anhand von Fallbeispielen. Das abschließende Fazit verallgemeinert die Systematik zu einer materiellen Gedächtnistheorie von Postkonfliktgesellschaften.
Keywords: Erinnerung, Konflikt, Gedächtnis, Theorie, Materialität, Sicherheit, Akteur-Netzwerk-Theorie, Dinge
Research area: Research Area 3: The Plurality of Normative Orders: Competition, Overlapping, InterconnectionResearch project:
Subject(s): sociology, political scienceFurther information: http://www.springer.com/springer+vs/soziologie/kultur/book/978-3-658-03470-2
Full text: http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-03470-2_4/fulltext.html