Forschung aktuell

Das Politische im Zeitalter des Totalitarismus: Richard Bernstein spricht über die heutige Relevanz von Hannah Arendt

Von Tanja Strukelj

Als Hannah Arendt im Jahr 1975 verstarb, war sie durch ihr Buch „Eichmann in Jerusalem“ zwar bekannt geworden, aber ihr Denken wurde in der politischen Philosophie außerhalb Deutschlands und den USA nur wenig rezipiert. Heute werden ihre Werke weltweit gelesen und diskutiert. Richard Bernstein freut sich über diese Entwicklung. Im Sommer 2018 wurde sein Buch „Why Read Hannah Arendt Now?“ veröffentlicht, in welchem er sich mit dem Denken Arendts auseinandersetzt und aktuelle Bezüge herstellt. Im Rahmen der 12. Internationalen Jahreskonferenz des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, welche sich mit dem Thema „Smart Orders and/or Democracy?“ beschäftigte, sprach Bernstein am 5. Dezember 2019 über die heutige Bedeutung von Hannah Arendt. Richard Bernstein ist Vera List-Professor für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Hermeneutik, dem Pragmatismus, der Kritischen Theorie und der Dekonstruktion und arbeitet daran, diese Ansätze miteinander in Dialog zu bringen.

Bernstein betonte zu Beginn seines Vortrags, dass Hannah Arendt sowohl die dunklen Seiten des Politischen als auch dessen Potenziale und Chancen im Blick hatte. Ihr Denken war zwar geprägt von den Schrecken der NS-Diktatur, aber dennoch war sie stets der festen Überzeugung, dass es selbst in dunkelsten Zeiten Lichtblicke geben könne. Um ihrem Denken auf die Spur zu kommen, sei es wichtig, ihre biografischen Erfahrungen mit ihrem Werk in Verbindung zu bringen, so Bernstein. Daher zeichnete er im Folgenden das Leben von Hannah Arendt nach und verknüpfte diese Ausführungen mit Gedanken und Konzepten Arendts, die noch heute von besonderer Bedeutung sind.

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„Von normativen zu smarten Ordnungen“ – Klaus Günther über den Wandel der normativen Ordnungen

Vortrag von Klaus Günther auf der 12. Internationalen Jahreskonferenz des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main am 5. Dezember 2019

Von Kristina Balaneskovic

Wir befinden uns in einem Wandel der Zeit. Das Leben der Menschen in unserer Gesellschaft passt sich der immer mehr digital werdenden Umwelt an. Auch die normativen Ordnungen erfahren eine Welle des Modernwerdens, die Wandlung von normativen zu smarten Ordnungen wird immer sichtbarer. Von der gezielten Datenauswertung in Strafverfolgungsbehörden bis hin zu „smart contracts“ in der Rechtspraxis. Es wird kontinuierlich versucht, sämtliche Abläufe durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz optimieren zu lassen. Nun stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß diese Optimierungen möglich sind. Wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem die Technologie Überhand gewinnt und Entscheidungen nicht mehr durch Menschen, sondern Maschinen getroffen werden? Sind smarte Ordnungen überhaupt noch normative Ordnungen? Diesen Fragen geht Prof. Dr. Klaus Günther in seinem Vortrag im Rahmen der 12. Internationalen Jahreskonferenz des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main nach. Klaus Günther ist Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität, zudem Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften und seit 2007 Co-Sprecher des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“, welcher ebenfalls an der Goethe-Universität ansässig ist.

Unterschiedliche Technologien werden in unserer heutigen Zeit für Optimierungsprozesse, Verhaltenssteuerung oder auch technische Prävention genutzt. In der Rechtspraxis werden beispielsweise künstliche Intelligenzen zur Vertragsprüfung eingesetzt, welche Verträge digital und mithilfe eines selbstlernenden Systems auf ihren Gehalt und mögliche Defizite überprüfen sollen, um diese vor Abschluss des Vertrages ausschließen zu können. Auch Strafverfolgungsbehörden setzen auf moderne Technologien. Durch das Sammeln und Auswerten von Daten sollen künftige Straftaten verhindert werden. Das sogenannte „Predictive Policing“ funktioniert auf Basis zweier Systeme: täterbasierte und ortsbezogene Systeme. Innerhalb von täterbasierten Systemen werden Daten aus Täterbiographien gespeichert und auf diese Weise sogenannte „Hochrisikopersonen“ identifiziert. „Räumliche Risikoprofile“ werden hingegen durch ortsbezogene Systeme erzeugt, die künftige Risikoräume identifizieren sollen. Dem selben Prinzip folgen auch „Smart Cities“. Diese sollen in Kooperation mit Konzernen wie Amazon und Google nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Ressourcen und Dienstleistungen effizient verwalten. Dazu gehören auch die Verbrechensprävention, Überwachung öffentlicher Räume und eine digitalisierte Infrastruktur, die Verläufe unter anderem im öffentlichen Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten, Bildungsstätten und Krankenhäusern optimieren soll. Dabei nennt Klaus Günther das Stichwort der Konfluenz, die intelligente Vernetzung aller Infrastrukturbereiche, sodass alle Abläufe innerhalb der Strukturen der „Smart Cities“ reibungslos abgewickelt werden können.

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100 Jahre New School for Social Research: Judith Friedlander spricht über die Geschichte der New School und deren University in Exile

Von Tanja Strukelj

Im Jahr 1919 wurde in New York eine neue Universität gegründet, die fortan als „New School for Social Research“ bezeichnet wurde. Diese ‚Neue Schule‘ sollte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark an intellektuellen Einfluss gewinnen und enge Beziehungen zu europäischen Wissenschaftler*innen aufbauen. Anlässlich ihres hundertsten Jahrestags lud der Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität im November 2019 nach Frankfurt ein. Unter den Gästen war neben Richard Bernstein und Dmitri Nikulin die Anthropologin Judith Friedländer – WissenschaftlerInnen, die das Profil der New School in den letzten Jahren geprägt hatten. Im Rahmen der Geburtstagskonferenz „100 Years The New School for Social Research“ hielt Friedlander am 6. Dezember 2019 ihren Vortrag „A Light in Dark Times“ über die Geschichte der New School und deren University in Exile.
Judith Friedlander ist Professorin für Anthropologie am Hunter College in New York. Von 1993 bis 2000 war sie Dekanin der Graduate Faculty of Political and Social Science an der New School, wo sie die Eberstadt-Professur für Anthropologie innehatte. Wenige Monate vor der Konferenz ist ihr Buch A Light in Dark Times erschienen, in welchem sie die historische Entwicklung der New School nachzeichnet.

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„Wie sind wir eigentlich da gelandet?“ Zum „Kult der Unmittelbarkeit“ und zum Aufstieg von autoritären Führungsfiguren

Von Juana de O. Lorena

Schon zum 17. Mal fand am Abend des 24. Oktober 2019 ein Vortrag der Reihe Goethe Lectures Offenbach statt. Die Veranstaltungsreihe ist das Ergebnis einer erfolgreichen Kooperation zwischen dem Frankfurter Forschungsverbund „Normative Orders“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Klingspor Museum Offenbach.
Mit dem Bild „Doppelbildnis Stalin“ von B. Jäger und Thomas Bayrle – zwei Künstler aus der Offenbacher Gruppe „Gulliver-Presse“ – in der Hand, hieß Dr. Stefan Stoltek das Publikum in seinem Haus willkommen. Wie es üblich bei der Reihe ist, dient diese Darstellung als Anregung zur thematischen Diskussion des Abends. Auch der Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung der Stadt Offenbach am Main, Jürgen Amberger, begrüßte das Publikum sehr herzlich. Dazu sprach er über die Wichtigkeit des Themas in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatte. Insbesondere betonte er die Bedeutung dieser Diskussion vor dem Hintergrund des gefährlichen Aufstiegs populistischer und nationalistischer Strömungen in der Welt, aber auch erneut in Deutschland. Die Vorstellung des Referenten wurde dem Co-Sprecher des Forschungsverbundes, Prof. Klaus Günther, überlassen.

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Veranstaltungsbericht zum Crisis Talk “Rechtsstaatlichkeit in der EU – Ein Grundwert in der Krise?“

Von Dr. Stefan Kroll

Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist eine dauerhafte Aufgabe demokratischer Gemeinschaften. Die von der Europäischen Kommission im Jahre 2019 geforderte „Kultur der Rechtsstaatlichkeit“ ist daher noch kein Ausweis einer Krise dieses EU-Grundwerts. Es handelt sich bei dieser Forderung eher um eine Reaktion auf neue Herausforderungen, wie Nicole Deitelhoff (Sprecherin des Leibniz-Forschungsverbunds „Krisen einer globalisierten Welt“) in ihrer Begrüßung zu diesem 14. Crisis Talk am Beispiel des Kampfes gegen den politischen Extremismus oder des Schutzes von Grundrechten im Internet eindrücklich beschrieb.

Diese Herausforderungen stellen aber noch keine Krise dar. Krisenartig für die Rechtsstaatlichkeit, so Deitelhoff, seien gegenwärtig vor allem Entwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten. Mark Weinmeister (Hessischer Europastaatssekretär) setzte in seiner Begrüßung einen ähnlichen Akzent, in dem er einerseits den grundsätzlichen und unstreitigen Charakter der Rechtsstaatlichkeit in der EU hervorhob. Aber eben auch die Irritation darüber, dass dieser Grundkonsens aktuell von einzelnen in Frage gestellt sei und darauf eingegangen werden müsse.

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Wie Streit die Demokratie stärken kann: Nicole Deitelhoff über Potenziale und Grenzen der demokratischen Streitkultur

Von Tanja Strukelj

Rechtsruck, Polarisierung, sprachliche Verrohung und Gewalt: Gegenwärtig sieht sich unsere Gesellschaft mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Wie steht es um die Zukunft von Demokratie und Liberalität? Wie können wir unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken? Wie werden wir unser Zusammenleben zukünftig gestalten können? Gleich zu Beginn ihres Vortrags „Konflikte_Wie werden wir unser Zusammenleben gestalten?“, der im Rahmen der Denkraum-Reihe „Zukunft_Aber wie?“ in Kooperation des Schauspiel Frankfurt mit dem Forschungsverbund „Normative Orders“ am 24. September 2019 im Chagallsaal stattfand, stellte Nicole Deitelhoff diese Fragen in den Raum. Ihre Antwort: Es brauche mehr Streit! Nicole Deitelhoff ist Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungspolitik an der Goethe-Universität Frankfurt sowie geschäftsführendes Vorstandsmitglied an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Seit 2007 ist Deitelhoff Mitglied des Direktoriums und Principal Investigator des Forschungsverbunds „Normative Orders“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Außergewöhnlich sind Konflikte nicht – im Gegenteil: Sowohl im Kreis der Familie und Freunde als auch zwischen Staaten ist der Streit ein Bestandteil des Zusammenlebens. Für das Zusammenleben sei es allerdings wichtig, dass der Streit produktiv ausgetragen wird und nicht in Gewalt umschlägt. Daran orientiert sich die Staatstheorie, die es als Anspruch von Staaten formuliert, ein solch gewaltsames Austragen von Konflikten zu unterbinden. Sinnhaft hierfür wurde das vom britischen Philosophen Thomas Hobbes entworfene Bild des Leviathan, der als exekutive Gewalt seinen Bürgerinnen und Bürgern Frieden, Sicherheit und Wohlstand garantiere, sofern sich diese ihm unterwerfen und entwaffnen lassen. Auch wenn Verstaatlichung nicht das Ende aller Gewalt mit sich gebracht habe, könne das produktive und gewaltfreie Austragen von Konflikten dennoch als Ziel demokratischer Staatsformen formuliert werden, so Deitelhoff.

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„Wie frei sind wir im digitalen Echoraum?“ – Klaus Günther über die Realität des digitalen Spiegelkabinetts unserer Überzeugungen, Ab-sichten, Wünsche und Sehnsüchte

Vortrag von Klaus Günther innerhalb der Goethe Lectures des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Von Kristina Balaneskovic

Sobald wir uns im Internet bewegen, das Smartphone oder andere intelligente Geräte nutzen oder in sozialen Netzwerken mit anderen Menschen kommunizieren, produzieren wir mit unserem Verhalten sogenannte „digital footprints“. Das heißt, dass jede unserer Bewegungen, jeder „Klick“, jedes „Like“ protokolliert werden und Informationen über unser Denken und Tun, unsere Bedürfnisse, gesammelt werden. Durch die Analyse unserer „digital footprints“ ist es Unternehmen und staatlichen Institutionen möglich, durch diese Daten Profile anzulegen und jegliche unserer Bewegungen in digitalen Netzwerken zu „tracken“. Wie weit geht dieses „Tracking“ unserer Daten und sind diese überhaupt von irgendeinem Wert? Ist das nun unsere Realität oder kann man die institutionelle und wirtschaftliche Handhabung unserer „digital footprints“ als Science-Fiction bewerten? Diesen Fragen ging Prof. Dr. Klaus Günther in seinem Vortrag innerhalb der Goethe Lectures im Klingspor Museum in Offenbach nach. Klaus Günther ist Professor Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht und zudem Dekan am Fachbereich Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit 2007 ist Klaus Günther zudem Co-Sprecher des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“, welcher ebenso an der Goethe-Universität ansässig ist.

Das Internet gehört mittlerweile zu einem fast unerlässlichen Gut unserer heutigen Gesellschaft. Das World Wide Web steht uns jederzeit zur Verfügung und wir können uns in diesem frei bewegen. Diese Freiheit hat laut Klaus Günther allerdings ihren Preis. Denn jede unserer Bewegungen kann im Internet von wirtschaftlichen Unternehmen und staatlichen Institutionen verfolgt werden. Diese Informationen lassen sich dann in Daten über unser künftiges Verhalten transformieren. Durch „predictive behavioral data“ können dann beispielsweise Persönlichkeitsprofile des Kaufverhaltens von Internetnutzern erstellt werden. Laut Günther sind diese Vorhersagedaten ein begehrtes Gut, mit ihnen lasse sich nicht nur das Verhalten von Menschen überwachen, sondern damit könne auch Handel getrieben werden. Durch gezielte Analyse der individuellen Verhaltensmuster („microtargeting“) lasse sich beispielsweise das Konsumverhalten durch Produktwerbung oder auch das politische Wahlverhalten (zuletzt: Cambridge Analytica) der Internetnutzer beeinflussen. Vor allem private Unternehmen nutzen diese Daten für eine Optimierung ihrer Verkaufsstrategien für Waren und Dienstleistungen. Aber auch für Staaten sind diese Daten von hohem Wert. Diese können Personeninformationen im Sinne von Überwachungen, Kontrolle oder auch Steuerung des Verhaltens der Bürger nutzen. Das Ziel hierbei ist eine Minimierung des normabwei-chenden Verhaltens. Auch die medizinische Forschung hoffe laut dem Vortragenden durch die massenhafte Analyse von Verhaltensdaten frühzeitig bestimmte Krankheitsbilder entdecken zu können, bevor eine Krankheit ausbricht, um so rechtzeitig eingreifen zu können.

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Das islamische Kopftuch zwischen Glaubensfreiheit, staatlicher Neutralität und Gleichberechtigung

Von Katharina Limberger

Ist das islamische Kopftuch individueller Ausdruck der grundrechtlichen Glaubensfreiheit oder politisches Symbol eines paternalistischen, emanzipationsfeindlichen Islam? Und in welchem (verfassungs-)rechtlichen Rahmen bewegt sich die Diskussion um das Kopftuch und die immer wieder geforderten Kopftuchverbote? Verletzen die Forderungen nach Verboten die grundrechtlich geschützte Glaubensfreiheit von Kopftuch tragenden Frauen? Oder verlangt im Gegenteil die staatliche Neutralität, dass Lehrerinnen und Richterinnen sich im Dienst unverhüllt zeigen? Wie ist das Kopftuch aus feministischer Sicht zu bewerten? Als Rückschritt im Kampf um die Emanzipation von paternalistischer Bevormundung oder widersprechen gerade die Verbote dem Kernanliegen der Frauenbewegung um ein selbstbestimmtes Leben?
Darüber diskutierten am 1. November 2019 im Historischen Museum der Stadt Frankfurt Prof. Dr. Ute Sacksofsky, Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen, Professorin für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung und Mitglied des Forschungsverbundes „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt und Seyran Ateş, Rechtsanwältin – u.a. der Berliner Bildungsverwaltung in verschiedenen Verfahren um Kopftuchverbote –, Frauenrechtlerin, Imamin und Mitbegründerin der ersten geschlechterübergreifenden Ibn-Rushd-Goethe-Moschee (Berlin). Die beiden Juristinnen und Verfechterinnen von Frauenrechten nahmen dabei gänzlich verschiedene Standpunkte ein und gingen dem Thema in einer engagierten Diskussion auf den Grund.

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Für einen eingebetteten Humanismus im Zeitalter von Naturbeherrschung und Cyborgs

Bericht zu den Frankfurt Lectures von Prof. Dr. iur. Anne Peters, LL.M. (Harvard), 4./5.11.2019: „Rechte, Pflichten und Verantwortung in der post-humanistischen Konstellation“

Von Andrea C. Blättler

Zu den zweitätigen Frankfurt Lectures lädt der Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ jeweils international herausragende Persönlichkeiten, die wissenschaftliche Erfahrung mit dem Mut verbinden, Neuland zu betreten. Ende 2019 folgte dieser Einladung mit Prof. Dr. iur. Anne Peters, LL.M. (Harvard) eine der profiliertesten Völkerrechtstheoretikerinnen unserer Zeit. Peters ist Direktorin des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, Titularprofessorin an der Universität Basel, Honorarprofessorin an der Universität Heidelberg und der Freien Universität Berlin, sowie L. Bates Lea Global Law Professor an der Law School der University of Michigan. Sie war Mitglied (substitute) der Venedig-Kommission (European Commission for Democracy through Law) für Deutschland (2011-2015), Rechtsexpertin der Independent Fact Finding Mission zum Konflikt in Georgien (2009), Präsidentin der European Society of International Law (2010-2012) und Vorstandsmitglied der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (2014-2015). Seit 2017 ist sie im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht (DGIR), seit 2014 im allgemeinen Rat der internationalen Gesellschaft für Internationales Verfassungsrecht (I-CON-S) und seit 2013 ist sie Mitglied im völkerrechtswissenschaftlichen Beirat der deutschen Bundesregierung. 2019 erhielt Peters eine Einladung für die Hague Academy for International Law – „etwas vom Renommiertesten, was man im Völkerrecht erreichen kann“, wie Prof. Dr. Stefan Kadelbach verriet, der die Referentin im Namen des Frankfurter Forschungsfeldes „Die Pluralität normativer Ordnungen“ vorstellte.
In ihrer interdisziplinären Vorlesung präsentierte Peters eine Antwort auf die drängende Frage nach der normativen Ausrichtung des positiven Rechts in der post-humanistischen Konstellation.

Post-humanistische Konstellation
Peters‘ Wortschöpfung „post-humanistische Konstellation“ hat deskriptiven wie normativen Gehalt. Deskriptiv gesprochen lässt sich heute beobachten, dass die vermeintlichen Grenzen zwischen Tier, Mensch und Maschine verschwimmen, respektive, dass diese Trias vielleicht immer eher ein Kontinuum denn diskrete Typen repräsentierte. So weisen wissenschaftliche Erkenntnisse immer deutlicher auf genetische, kognitive und kulturelle Überlappungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren hin. Und während die Vorstellung von Organismen mit Cyber-Komponenten – cyborgs – zur Zeit der Publikation von Donna Haraways Manifesto for Cyborgs (1985, "Manifesto for Cyborgs: Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980s", Socialist Review, 80, S. 65–108) noch neu klang, fühlen wir uns heute alle gleichsam amputiert, wenn wir das Smartphone vergessen haben. Auch normativ gesehen ist es treffend, von einer post-humanistischen Konstellation zu sprechen. Stand der Mensch als Maß aller Dinge lange wenig bestritten im Zentrum von Theoriebildung, wird heute vermehrt eine Ethik des Widerstands gegen eurozentristisch-humanistische Überlegenheit und militante Formen des Anthropozentrismus propagiert (z.B. Braidotti, Rosi, 2014, Posthumanismus: Leben jenseits des Menschen. Frankfurt am Main: Campus).

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Moderation: Christopher Daase (Forschungszentrum TraCe) und Rebecca Caroline Schmidt (Clusterinitiative ConTrust)
Dialogpanel im Rahmen der TraCe-Jahreskonferenz „Language(s) of Violence“

Was ist Befreiung?

Prof. Dr. Christoph Menke (Goethe-Universität, Normative Orders) im Gespräch mit Cord Riechelmann (Autor)
Gesprächsreihe "Frankfurter Schule"

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