Kampagne gegen Kopftuch-Konferenz

Weil sie den Streit um die islamische Kopfbedeckung aufgreift, wird der Professorin Susanne Schröter im Internet "antimuslimischer Rassismus" und Diskriminierung vorgeworfen. Schröter spricht von Rufmord.

Von Marie Lisa Kehler

Sie will sich nicht einschüchtern lassen - auch wenn Susanne Schröter sich derzeit einer Hetzkampagne im Internet ausgesetzt sieht. Unter dem Namen "Uni gegen AMR - Kein Platz für Anti-Muslimischen Rassismus" fordert eine Gruppe auf der Internetplattform Instagram, die Ethnologin ihres Professorenamtes zu entheben. Außerdem wollen Sympathisanten der Gruppe erreichen, dass die für den 8. Mai am Forschungszentrum Globaler Islam geplante Konferenz "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" abgesagt wird.
Schröter selbst denkt nicht daran, sich dem Druck zu beugen. Sie will weiter dafür einstehen, dass die Kopftuchdebatte offen und meinungsstark geführt wird. "Werden darf", wie sie sagt. Die Idee zu der Veranstaltung habe sie entwickelt, nachdem schon die Ankündigung der Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions" im Museum Angewandte Kunst vor einigen Wochen bundesweit Kritik hervorgerufen hatte. Die Schau, die noch bis zum September gezeigt wird, befasst sich mit aktuellen Interpretationen muslimischer Bekleidungstraditionen. Besonders Feministinnen hatten gegen die Ausstellung protestiert, da das Kopftuch ein Symbol eines rückwärtsgewandten Frauenbildes sei und oft verharmlost werde. "Ich wollte dieser Debatte einen Rahmen geben", sagt Schröter. "Aber jetzt wollen einige muslimische Studenten bestimmen, wo die Grenzen sind."
Seit Mittwoch wird gezielt im Internet gegen die Ethnologin Stimmung gemacht. Ihr wird etwa unterstellt, Rechtspopulisten ein Forum zu bieten. Zur Konferenz eingeladen sind unter anderen Alice Schwarzer, Gründerin und Herausgeberin der Frauenzeitschrift "Emma", die Soziologin Necla Kelek und Khola Maryam Hübsch, Autorin und Mitglied der islamischen Gemeinschaft Ahmadiyya. "Ich musste mich im Vorfeld sogar dafür rechtfertigen, dass ich eine Kopftuch tragende Referentin einlade", sagt Schröter. Aber Hübsch gehört ihrer Ansicht nach ebenso aufs Podium wie Kritiker der islamischen Kopfbedeckung.
Wer genau hinter der Kampagne gegen Schröter steckt, bleibt unklar. "Wir sind ein offener Zusammenhang mit Fluktuation von Studierenden aus unterschiedlichen Fachbereichen, mit unterschiedlichen Betroffenheiten", heißt es in einer schriftlichen Antwort auf die Anfrage, die diese Zeitung an das Instagram-Profil "Uni gegen AMR - Kein Platz für Anti-Muslimischen Rassismus" gerichtet hatte. Dieses ist, 24 Stunden nach Auftauchen, wieder verschwunden. In dem kurzen Zeitraum waren mehr als 400 Personen dem Profil gefolgt, viele veröffentlichten Fotos, auf denen sie einen Zettel in die Kamera hielten. Auf allen Fotos war die immer gleiche Forderung zu lesen: "schroeter_raus". Nutzer, die in ihren Kommentaren Position für die Uni-Dozentin ergriffen, wurden blockiert, ihre Kommentare gelöscht.
Unterstützung bekommt Susanne Schröter unter anderem von Birgitta Wolff. Die Uni-Präsidentin übt in einem Schreiben scharfe Kritik an der Kampagne. "Äußerungen wie ,schroeter_raus' stehen außerhalb jeglichen sowohl wissenschaftlichen als auch demokratischen Diskurses. Solche Äußerungen haben nichts mit den Qualitätsansprüchen eines akademischen Diskurses zu tun und sind allen, die sich als Mitglieder unserer Universität bezeichnen, unwürdig."
Weiter schreibt Wolff: "Im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit steht es den Fachbereichen, Instituten und Professuren der Goethe-Universität nicht nur frei, Veranstaltungen in eigener Regie und mit eigener thematischer Ausrichtung zu gestalten. Es ist vielmehr ausdrücklich Teil ihrer Aufgaben." Das Präsidium sei keine "Diskurspolizei". Vielmehr sei es seine Aufgabe, für die Wissenschaftsfreiheit einzutreten und sicherzustellen, dass in der Goethe-Universität unterschiedliche wissenschaftliche Positionen eingenommen und nach den Spielregeln des akademischen Diskurses vertreten werden könnten, so Wolff.
Auch Fatma Keser, Feminismusreferentin des Asta, verurteilt die Kampagne. "Wir wollen uns ausdrücklich davon distanzieren. Die ganze Aktion erschreckt uns, da hier Islamkritik und Rassismus gleichgesetzt werden", sagt sie. "Das Thema Kopftuch scheint uns als ein Vorwand. Es wird der Versuch unternommen, Forschung zu deutschen Islamverbänden und islamistischen Vereinigungen zu kompromittieren." Keser selbst zeigt sich überrascht von der Kritik an Schröter, da die geplante Konferenz mit Referenten wie Khola Maryam Hübsch und Dina El-Omari, die sich der Kopftuchdebatte aus theologischer Sicht annähern will, unterschiedliche Positionen berücksichtige. "Wir würden uns radikaler positionieren, als Susanne Schröter es selbst tut", sagt Keser.
Schröter gibt sich weiterhin selbstbewusst. Sie werde sich nicht einschüchtern lassen, auch wenn die Anschuldigungen sie "kalt erwischt" hätten, sagt sie: "Die Konferenz findet statt." Sie abzusagen "wäre hochgradig absurd. Ich will Kritikern nicht eine solche Macht einräumen. Die Grundlage unserer Demokratie ist die Meinungsfreiheit, wenn das nicht mehr gewährleistet ist, fällt alles in sich zusammen." Die Professorin behält sich vor, rechtliche Schritte einzuleiten. "Für mich gehört die kontroverse Debatte dazu. Ich sehe nicht ein, von dieser guten Praxis Abstand zu nehmen."

Von Marie Lisa Kehler. Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. April 2019. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.


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