In einer Erklärung nennt Jürgen Habermas den Gegenschlag Israels „prinzipiell gerechtfertigt“ und verurteilt den Antisemitismus in Deutschland.

Miguel de la Riva

Jürgen Habermas hat sich erstmals zum Krieg im Nahen Osten geäußert. Der Philosoph und Soziologe ist einer der Unterzeichner einer am Montag auf der Webseite des Forschungszentrums der Goethe-Universität Normative Orders veröffentlichten Erklärung. Das drei Absätze kurze Statement unter dem Titel „Grundsätze der Solidarität“ möchte die Diskussion offenbar mehr moderieren als selbst zu Streitfragen Stellung zu beziehen. Bei „all den widerstreitenden Sichtweisen“ will sie Grundsätze festhalten, „die nicht bestritten werden sollten“ und die Grundlage einer „recht verstandenen Solidarität mit Israel und Jüdinnen und Juden in Deutschland“ darstellten.

In der Erklärung wird der Gegenschlag Israels infolge des Massakers der Hamas vom 7. Oktober als „prinzipiell gerechtfertigt“ bezeichnet. Es wird indes betont, dass er im Sinne von Grundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit, der Vermeidung ziviler Opfer und „mit der Aussicht auf künftigen Frieden“ geführt werden müsse. Mit Blick auf die Situation hierzulande heißt es in der Erklärung, dass das Vorgehen Israels in keiner Weise antisemitische Reaktionen rechtfertige. Es sei „unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder Drohungen gegen Leib und Leben ausgesetzt sind“.

Den Unterzeichnern zufolge verbindet sich mit dem Selbstverständnis der Bundesrepublik als demokratischer, die Menschenwürde achtender Staat eine politische Kultur, „für die im Lichte der Massenverbrechen der NS-Zeit jüdisches Leben und das Existenzrecht Israels zentrale, besonders schützenswerte Elemente sind“. Das Bekenntnis dazu sei für „unser politisches Zusammenleben fundamental.“ Gegenüber denjenigen, „die antisemitische Affekte und Überzeugungen hinter allerlei Vorwänden kultiviert haben und jetzt eine willkommene Gelegenheit sehen, sie ungehemmt auszusprechen“ erinnert die Erklärung daran, dass elementare Rechte auf Freiheit, körperliche Unversehrtheit und Schutz vor rassistischer Diffamierung für alle gleichermaßen gelten.

Neben Habermas wurde die Erklärung auch von Nicole Dietelhoff, der Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, sowie vom Philosophen Rainer Forst und dem Rechtswissenschaftler Klaus Günther unterschrieben. Forst zählt zu den Schülern Habermas, Günther zu dessen ehemaligen Mitarbeitern. Der 94-jährige Intellektuelle scheut bis heute nicht öffentliche Debatten. Zuletzt erregte er im März mit der Forderung nach Verhandlungen mit Russland in dessen Krieg gegen die Ukraine Aufsehen.

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