Presseverlage haben lange für ein eigenes Leistungsschutzrecht gekämpft. Doch im Zeitalter von KI wird das wenig helfen.

Von Viktoria Kraetzig

Vor rund zwei Jahren ist das Leistungsschutzrecht für Presseverleger 2.0 in Deutschland in Kraft getreten. Nach einem gescheiterten nationalen Alleingang wird es nunmehr auf Unionsebene durch die Richtlinie über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) vorgeschrieben. Es ist als Verbotsrecht angelegt: Plattformen müssen für Lizenzen zahlen, wenn sie Presseinhalte für eigene Angebote nutzen wollen. Bei einer Verwertung ohne Lizenz können die Presseverlage die Nutzung aus eigenem Recht unterbinden. Ein genuines Schutzrecht für die eigenen Inhalte sollte den Presseverlegern eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Google, Facebook & Co. einräumen und sie so für das digitale Zeitalter wappnen.

Doch mit dem Erstarken von Künstlicher Intelligenz (KI) könnte das Leistungsschutzrecht sein Verfallsdatum schon erreicht haben. Generative KI-Systeme wie ChatGPT verarbeiten zur Herstellung eigener Texte Verlagsinhalte – auch solche hinter Bezahlschranken. Diese sind zwar umformuliert, enthalten aber die wesentlichen Informationen. Formaten, die mit Worten spielen – einer Glosse, einem schöngeistigen Artikel -, kann das wenig anhaben. Presseangeboten, deren Wert sich auf die Information begrenzt, durchaus.

Dass KI-Sprachmodelle Presseartikel auslesen können, nutzen Suchmaschinen auch für eigene Angebote: Die mit Presseinhalten gefütterte KI kann Antworten auf Suchanfragen generieren, welche die Lektüre von Artikeln entbehrlich machen. Die Verlage können einen Vorbehalt gegen das sogenannte „Crawling“, also das Auslesen und Indexieren ihrer Daten, erklären. Hierfür bezahlen sie jedoch einen hohen Preis: die Auslistung aus den Suchergebnissen, auf die sie für Websitebesucher und damit Werbeeinnahmen angewiesen sind.

Der Kampf der Presseverlage um eine Monetarisierung ihrer Inhalte im digitalen Raum geht also in die nächste Runde. Ihr Leistungsschutzrecht wird ihnen hierbei wenig helfen können. Denn das Urheberrecht schützt nie Informationen als solche, sondern immer nur deren Verkörperung in einer konkreten Ausdrucksform – so auch das Presseleistungsschutzrecht. Es ist so konzipiert, dass nur der Presseveröffentlichung als Gesamtkomposition Schutz zuteilwird, der nicht auf die enthaltenen Tatsachen durchschlagen kann. Solange die KI-Texte die Presseinhalte nicht wörtlich kopieren, sondern mit eigenen Worten wiedergeben, bewegen sie sich im lizenzfreien Raum.

Es werden bereits Stimmen laut, die eine Nachjustierung des Leistungsschutzrechts fordern. Die DSM-RL sieht auf Unionsebene einen vollharmonisierten Rechtsschutz für Presseveröffentlichungen vor. Allenfalls der Unionsgesetzgeber könnte nachschärfen. Bis zum Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens auf Unionsebene samt nationaler Umsetzung würden aber Jahre ins Land gehen. In anderen Ländern hat man sich zur Stärkung der Presseverleger im Kampf gegen die Medienintermediäre für andere Regelungskonzepte entschieden. So wird zum Beispiel in Australien mit dem News Media Bargaining Code auf im Wettbewerbsrecht fußende Maßnahmen gesetzt, welche das Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Parteien ausgleichen sollen: Es besteht eine Verpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen über die Nutzung von Presseinhalten. Kann keine Einigung erzielt werden, ergeht ein Schiedsspruch zur angemessenen Vergütung.

In der EU hatten sich einige Presseverlage für die Einführung von Verhandlungsverpflichtungen nach australischem Vorbild im Digital Markets Act eingesetzt – erfolglos. Derartige wettbewerbsrechtliche Ansätze haben ihre eigenen Schwächen. Technischem Fortschritt können sie aber jedenfalls eher trotzen als ein Verbotsrecht, das auf einen bestimmten Stand der Technik zugeschnitten ist.

Die andere Seite der Medaille ist, dass KI nicht nur Gefahren für Presseverlage birgt. Sie bietet auch Potentiale für den redaktionellen Alltag. Ihr Einsatz wird das Verhältnis von Kapital, Arbeit und Gewinn auf dem Pressemarkt verschieben. Mit weniger Personal lassen sich mehr Presseinhalte produzieren. Man denke an mühsame Recherchearbeiten oder die Auswertung von Datenmassen, die KI in Sekundenbruchteilen leisten kann. Eingespartes Kapital kann in Qualitätsjournalismus investiert werden, den KI-Journalismus nicht bieten kann: KI kann Inhalt, aber nicht Gestalt. Nutzen Verlage KI nicht nur als Werkzeug für menschliche Beiträge, sondern entscheiden sich dafür, KI-generierte Inhalte in ihre Presseangebote zu integrieren, können diese ihrerseits leistungsschutzrechtlich geschützt sein.

Nach der Begriffsbestimmung der DSM-RL ist eine „Presseveröffentlichung“ eine Sammlung, die hauptsächlich aus literarischen Werken journalistischer Art besteht. Es können also nur solche Presseangebote den Leistungsschutz beanspruchen, die hauptsächlich aus Texten bestehen, welche die Schwelle zur persönlichen geistigen Schöpfung nehmen. Da nur von Menschen verfasste Texte dem urheberrechtlichen Werkschutz zugänglich sind, muss dieser obligatorische Teil von menschlicher Hand sein. Hingegen „kann“ der fakultative Bestandteil sonstige Werke oder leistungsschutzrechtliche Schutzgegenstände beinhalten – muss es nach dem Wortlaut aber nicht.

Sportmeldungen, Börsennews und Wahlergebnisse können schon lange von KI verfasst werden. Solche eigenständig schutzlosen KI-Texte oder auch von KI kreiertes Bildmaterial können am Leistungsschutzrecht der Presseverleger teilhaben. Im Leid ist zumindest ein wenig Trost inbegriffen.

Die Autorin habilitiert an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15.11.23, Wirtschaft (Wirtschaft), Seite 16. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv