Prof. Dr. Indra Spiecker genannt Döhmann, LL.M mit „Public Service Fellowship-Preis“ ausgezeichnet

  • Beitrag veröffentlicht:4. Dezember 2023

Der „Public Service Fellowship-Preis“ der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung ging in diesem Jahr an Prof. Indra Spiecker genannt Döhmann, Mitglied der Forschungsinitiative „ConTrust“ am Forschungszentrum „Normative Ordnungen“, und wurde am 30. November feierlich im Rahmen einer Preisverleihung an der Goethe-Universität verliehen.
Spiecker lehrt seit 2013 an der Goethe-Universität Öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Sie leitet die Forschungsstelle Datenschutz und ist wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges). Von vielen Institutionen, insbesondere zu rechtlichen Aspekten der Digitalisierung, wird sie als Expertin häufig zu Rate gezogen, z.B. für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, von den Datenschutzbehörden oder der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Der mit 10.000 Euro dotierte „Public Service Fellowship-Preis“ wird von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung alle zwei Jahre an Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität vergeben, die in bedeutenden wissenschaftlichen oder wissenschaftspolitischen Gremien tätig sind.

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„Relationalität der Menschenwürde“ – Nächster Booklaunch mit Dr. Regina Schidel am 6. Dezember

  • Beitrag veröffentlicht:22. November 2023

In ihrem Buch „Relationalität der Menschenwürde – Zum gerechtigkeitstheoretischen Status von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen“, das kürzlich im Campus Verlag im Open Acccess erschienen ist, analysiert Dr. Regina Schidel die Diskriminierungsform des Ableismus, d.h. die Schlechterstellung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, aus philosophischer und gesellschaftstheoretischer Perspektive. Dabei geht sie von einer innovativen Deutung des Begriffs der Menschenwürde aus und zeigt, warum wir allen Menschen als Bewohner:innen einer geteilten Welt Achtung schulden. Am Mittwoch, dem 6. Dezember 2023, um 13 Uhr stellt sie das Buch im nächsten „Book lɔ:ntʃ“ vor, ein interdisziplinärer Austausch schließt sich an.
Dr. Regina Schidel ist PostDoc im Projekt „ConTrust – Vertrauen im Konflikt“ am Forschungszentrum Normative Ordnungen Frankfurt und arbeitet dort zu epistemischen Ausschlüssen und marginalisierten Wissensbeständen.

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Was ist Solidarität? Dritte Veranstaltung der Reihe „Frankfurter Schule“ mit Stephan Lessenich am 3. Dezember

  • Beitrag veröffentlicht:21. November 2023

Die Konjunkturen der Solidarität laufen parallel zu den Krisenkonjunkturen einer Gesellschaft. So war Solidarität während der Corona-Pandemie in aller Munde und gegenwärtig wird in der breiten Öffentlichkeit intensiv über die Solidarität mit der Ukraine und mit Israel diskutiert. Im Rahmen der Reihe „Frankfurter Schule“ diskutieren am Sonntag, dem 3. Dezember, um 19 Uhr im Kammerspiel des Schauspiels Frankfurt der Direktor des Instituts für Sozialforschung, Prof. Dr. Stephan Lessenich, und die Journalistin der Süddeutschen Zeitung, Meredith Haaf über die Kernfrage „Was ist Solidarität?“.
Die vom Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität gemeinsam mit dem Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main organisierte Reihe findet in regelmäßigen Abständen in wechselnden Kultureinrichtungen in Frankfurt statt. Zu Gast sind Persönlichkeiten, die – geschult am „Frankfurter Denken“ – zu aktuellen Problemlagen Position beziehen. Kooperationspartner der Reihe sind das Institut für Sozialforschung und hr2-kultur.

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Grundsätze der Solidarität. Eine Stellungnahme

  • Beitrag veröffentlicht:13. November 2023

Die derzeitige Situation, die durch den an Grausamkeit nicht zu überbietenden Angriff der Hamas und Israels Reaktion darauf geschaffen wurde, hat zu einer Kaskade von moralisch-politischen Stellungnahmen und Demonstrationen geführt. Wir sind der Auffassung, dass bei all den widerstreitenden Sichtweisen, die geäußert werden, einige Grundsätze festzuhalten sind, die nicht bestritten werden sollten. Sie liegen der recht verstandenen Solidarität mit Israel und Jüdinnen und Juden in Deutschland zugrunde.

Das Massaker der Hamas in der erklärten Absicht, jüdisches Leben generell zu vernichten, hat Israel zu einem Gegenschlag veranlasst. Wie dieser prinzipiell gerechtfertigte Gegenschlag geführt wird, wird kontrovers diskutiert; Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Vermeidung ziviler Opfer und der Führung eines Krieges mit der Aussicht auf künftigen Frieden müssen dabei leitend sein. Bei aller Sorge um das Schicksal der palästinensischen Bevölkerung verrutschen die Maßstäbe der Beurteilung jedoch vollends, wenn dem israelischen Vorgehen genozidale Absichten zugeschrieben werden.

Insbesondere rechtfertigt das Vorgehen Israels in keiner Weise antisemitische Reaktionen, erst recht nicht in Deutschland. Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder Drohungen gegen Leib und Leben ausgesetzt sind und vor physischer Gewalt auf der Straße Angst haben müssen. Mit dem demokratischen, an der Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde orientierten Selbstverständnis der Bundesrepublik verbindet sich eine politische Kultur, für die im Lichte der Massenverbrechen der NS-Zeit jüdisches Leben und das Existenzrecht Israels zentrale, besonders schützenswerte Elemente sind. Das Bekenntnis dazu ist für unser politisches Zusammenleben fundamental. Die elementaren Rechte auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit sowie auf Schutz vor rassistischer Diffamierung sind unteilbar und gelten gleichermaßen für alle. Daran müssen sich auch diejenigen in unserem Land halten, die antisemitische Affekte und Überzeugungen hinter allerlei Vorwänden kultiviert haben und jetzt eine willkommene Gelegenheit sehen, sie ungehemmt auszusprechen.

Nicole Deitelhoff, Rainer Forst, Klaus Günther und Jürgen Habermas


Principles of solidarity. A statement

The current situation created by Hamas‘ extreme atrocity and Israel’s response to it has led to a cascade of moral and political statements and protests. We believe that amidst all the conflicting views being expressed, there are some principles that should not be disputed. They are the basis of a rightly understood solidarity with Israel and Jews in Germany.

The Hamas massacre with the declared intention of eliminating Jewish life in general has prompted Israel to strike back. How this retaliation, which is justified in principle, is carried out is the subject of controversial debate; principles of proportionality, the prevention of civilian casualties and the waging of a war with the prospect of future peace must be the guiding principles. Despite all the concern for the fate of the Palestinian population, however, the standards of judgement slip completely when genocidal intentions are attributed to Israel’s actions.

In particular, Israel’s actions in no way justify anti-Semitic reactions, especially not in Germany. It is intolerable that Jews in Germany are once again exposed to threats to life and limb and have to fear physical violence on the streets. The democratic ethos of the Federal Republic of Germany, which is orientated towards the obligation to respect human dignity, is linked to a political culture for which Jewish life and Israel’s right to exist are central elements worthy of special protection in light of the mass crimes of the Nazi era. The commitment to this is fundamental to our political life. The elementary rights to freedom and physical integrity as well as to protection from racist defamation are indivisible and apply equally to all. All those in our country who have cultivated anti-Semitic sentiments and convictions behind all kinds of pretexts and now see a welcome opportunity to express them uninhibitedly must also abide by this.

Nicole Deitelhoff, Rainer Forst, Klaus Günther und Jürgen Habermas

Muslimfeindlichkeit. Zur Eröffnung einer Konferenz

  • Beitrag veröffentlicht:13. November 2023

Nicole Deitelhoff und Rainer Forst

Begrüßungsworte zur Eröffnung der Konferenz „Muslimfeindlichkeit – eine deutsche Bilanz“, veranstaltet von der Bildungsstätte Anne Frank (konzipiert von Saba-Nur Cheema) und durchgeführt in Kooperation mit dem Forschungszentrum Normative Ordnungen, dem Gleichstellungsbüro der Goethe-Universität und mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung (zur Veranstaltung)

Goethe-Universität Frankfurt am Main, 13. November 2023

Nicole Deitelhoff:

Guten Morgen! Mein Name ist Nicole Deitelhoff und ich freue mich, Sie gemeinsam mit meinem Kollegen Rainer Forst als Kooperationspartner der Bildungsstätte Anne-Frank und der Bundeszentrale für Politische Bildung hier bei uns auf dem Westend-Campus zur Konferenz „Muslimfeindlichkeit – eine deutsche Bilanz“ begrüßen zu dürfen.

Manche mögen fragen, ob dies wirklich der richtige Zeitpunkt für eine solche Tagung ist. Um genau zu sein, haben uns das einige gefragt, und wir haben lange und intensiv darüber diskutiert. Können wir in einer Phase, in der antisemitische Übergriffe und Hassrede gerade aus muslimischen Milieus derart massiv zunehmen, wirklich sinnvoll über Muslimfeindlichkeit sprechen?

Wir glauben, dass gerade jetzt der Zeitpunkt ist, auch diese Fragen und die Ergebnisse aus dem Bericht des Expert.innenkreises der Bundesregierung dazu zu diskutieren, weil wir uns mit einer Situation konfrontiert sehen, in der Antisemitismus massiv ansteigt, aber auch Muslimfeindlichkeit deutlich hervortritt: Forderungen wie jene, ein individuelles Bekenntnis jedes Muslims gegen die Hamas oder für Israel als Voraussetzung für Teilhabe in Deutschland verlangen zu müssen, oder die Behauptung, der Antisemitismus sei ein eingewandertes Problem durch muslimisch geprägte Migrant.innen und die Konsequenz daher deren Ausweisung oder generell die Begrenzung der Migration von Muslim.innen sind dafür einschlägig. Diese Aussagen sind gegenwärtig verbreitet und sie machen deutlich, wie sehr es gerade in diesen Zeiten Differenzierung und Zugewandtheit statt weiterer Abgrenzung braucht. Wir müssen Probleme klar benennen, aber ohne der Versuchung anheim zu fallen, pauschal zu generalisieren. Das fällt schwer, insbesondere in Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, wenn Angst, Verunsicherung, aber auch Wut bei vielen vorherrschen.

Normative Orders wurde von der Bildungsstätte Anne Frank gefragt, ob wir uns als Kooperationspartner an der Konferenz beteiligen würden, und wir haben zugesagt, weil wir genau solche differenzierten und zugewandten Debatten fördern wollen. Es geht mithin, wenn heute über Muslimfeindlichkeit gesprochen wird, darum, eine Form von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit zu diskutieren, die ebenso verachtenswürdig ist wie andere Formen.

Natürlich können wir in einer solchen Tagung nicht umhin, über den 7. Oktober in Israel zu sprechen und den Antisemitismus, den wir seitdem in Deutschland, aber auch weit darüber hinaus zur Kenntnis nehmen müssen. Unsere Linie dazu ist völlig klar: Die Massaker an Jüdinnen und Juden am 7. Oktober diesen Jahres sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Genauso wie die Verschleppung von mehr als 200 Geiseln, von Babies bis zu Greisen. Der Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinenserinnen und Palästinensern kann sie in keiner Weise rechtfertigen. Sie sie sind nur der banale Ausdruck von Menschenverachtung und Vernichtungsabsicht.

Das heißt nur ebenso nicht, dass deswegen die Handlungen Israels im Gazastreifen nicht kritisch kommentiert werden dürfen. Natürlich dürfen sie das und müssen sie auch. Es ist nicht antisemitisch, Israels Regierung an ihre Pflichten gemäß des Humanitären Völkerrechts, aber auch der allgemeinen Humanität  zu erinnern, die Zivilbevölkerung zu schonen. Antisemitisch ist es, aus der Kritik an einer Politik des israelischen Staates die Verachtung alles Jüdischen abzuleiten oder dem israelischen Staat oder Jüdinnen und Juden das Existenzrecht abzusprechen.

Rainer Forst:

Ich begrüße Sie gemeinsam mit Nicole Deitelhoff nicht nur als Direktor des Forschungszentrums Normative Ordnungen, sondern auch als Wissenschaftler, der sich mit der Geschichte und der Gegenwart von Toleranz und Intoleranz intensiv auseinandergesetzt hat. Auch deshalb habe ich die Initiative von Frau Cheema für die Bildungsstätte Anne Frank sehr begrüßt, den Bericht des Expert*innenkreises Muslimfeindlichkeit und der darin aufgeworfenen Fragen hier an unserer Universität in Kooperation mit uns zu diskutieren.

Denn wir müssen, um an Nicole anzuschließen, einer negativistischen Dialektik widerstehen, die heute allzu leicht einschnappt, nämlich die berechtigte Kritik an radikal-islamistischen, antisemitischen Aus- und Vorfällen mit dem unberechtigten Generalverdacht zu verknüpfen, diese Radikalen, die nach dem Kalifat rufen und jüdische Menschen bedrängen, sprächen nur aus, was alle Muslime denken. Das Muster ist klar: Pars wird pro toto genommen, und auf das totum das ganze Arsenal der Stereotype projiziert, die der umfassende und beeindruckende Bericht aufzählt: Muslime sind gewalttätig, demokratiefeindlich, antisemitisch und frauenfeindlich ohnehin; auf jeden Fall „integrationsunwillig“. Und schnell wird der Bezug zu einem restriktiven Staatsbürgerrecht und zur Migrationsbegrenzung gezogen. „Othering“ in reinster Form. Zurecht warnt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Mazyek: Passt auf, wo ihr mitlauft! Die Bilder setzen sich fest und festigen stereotype Muster.

Wer die Geschichte der Toleranz und Intoleranz kennt, weiß, wie tief solche Muster sitzen, ob sie die lange Geschichte der Ausgrenzung des Judentums in christlichen Gesellschaften oder die Vorbehalte gegen Muslime betreffen. Wenn wir etwa in einem der Grundbücher der Toleranzbegründung blättern, John Lockes Letter Concerning Toleration(1689), lesen wir dort, dass im anglikanischen England zwar protestantische Dissenters zu dulden sind, nicht aber die katholische Kirche, da sie sich über die weltliche Regierung stelle, und auch nicht der Islam als Organisation: „It is ridiculous for any one to profess himself to be a Mahumetan only in his Religion, but in every thing else a faithful Subject to a Christian Magistrate, whilst at the same time he acknowledges himself bound to yield blind obedience to the Mufti of Costantinople; who himself is entirely obedient to the Ottoman Emperor, and frames the feigned oracles of that religion according to his pleasure.“ Wir wissen, wer heute allzu gerne diesen osmanischen Sultan spielt und wie dies zu einem ausgrenzenden Argument wird, das sich pauschal gegen türkische Mitbürger*innen richtet. Wir leben in Zeiten, in denen Extreme einander aufschaukeln und alte Skripte des Nichtverstehens und der Diskriminierung wiederaufführen.

Dieser Teufelskreis ist nur zu durchschneiden, wenn wir uns an Grundsätze des menschenrechtlich formulierten, demokratisch gelebten gleichen Respekts halten und sie korrekt interpretieren. Dazu gehören die Prinzipien des religiös neutralen Rechtsstaats. Hier aber beginnt, wie wir insbesondere seit den Kruzifix- und Kopftuchkonflikten der Neunziger wissen, die Geschichte, die unsere Toleranzdiskussionen heute noch bestimmt. Denn abgesehen davon, dass in unserem Land viele nicht die Grenze zu ziehen wissen zwischen den Überzeugungen und Praktiken, die sie ablehnen, etwa aus religiös-ethischen Gründen, und den Überzeugungen und Praktiken, die absolut nicht tolerierbar sind, weil sie gegen Menschenrechte und Grundprinzipien des Zusammenlebens verstoßen, schleicht sich in die Rede der Toleranz selbst bisweilen das Gift der Diskriminierung ein.

Dann wird Toleranz so verstanden, dass man all den „Fremden“, die verdächtige Überzeugungen und Sitten haben, erlaubt, in einem Land zu leben, solange sie die „Hausordnung“ der Mehrheit anerkennen. Dies nenne ich die Erlaubniskonzeption der Toleranz: die Mehrheit legt fest, was gilt, und wenn in ihren Augen das Christentum dominieren soll, dann hat das Vorrecht. Das ist die Toleranz, die Goethe eine „Beleidigung“ nennt, und das ist die Toleranz, die etwa bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sagte: Toleranz ja, Ehe nein. Das ist die schiefe, asymmetrische Toleranz, die besagt, hier könne ja jederfrau Lehrerin oder Richterin werden, sie müsse nur das Kopftuch ablegen. Das ist eine nichtneutrale Neutralität, die Vorrechte untermauert und gleiche Rechte verweigert.

Aber es gibt eine andere Form der Toleranz, die ich Respektkonzeption nenne. Hier bestehen religiöse Differenzen weiterhin, auch tiefgreifende, aber alle sind bereit, die anderen als Gleiche zu achten, auch dort, wo es wehtut. Dann werden Moscheen nicht in Hinterhöfe oder Industriegebiete verbannt, dann hängen keine Kreuze oder Kruzifixe in Klassenzimmern oder Gerichten, dann werden Lehrerinnen und Juristinnen, die den Ausbildungsweg erfolgreich durchlaufen haben, auch mit ihrer sichtbaren religiös-kulturellen Identität ihren Beruf ausüben können, weil man ihnen zutraut, zwischen Religion und Amtsausübung zu unterscheiden. Das trauen wir auch religiös denkenden christlichen Richter*innen zu. Das ist rechtsstaatliche Neutralität recht verstanden, wie in anderen liberal-demokratischen Ländern auch. Staatliche Neutralität heißt, bei der Respektierung von Grundrechten keine diskriminierende Benachteiligung walten zu lassen.

Auf unseren Konferenzen, die sich diesen Themen widmen, zitiere ich gerne das berühmte Wort Adornos, dass wir den besseren Zustand als den denken sollten, „in dem man ohne Angst verschieden sein kann“ (Minima Moralia, Stück 66). Und ja, wie schön wäre das. Das hieße Freiheit und Respekt für die Mädchen und jungen Frauen, die kein Kopftuch tragen wollen, und Freiheit und Respekt für die, die es tragen wollen. Das wäre ein Leben ohne diskriminierende Zwänge in Geschlechterfragen. Das wäre ein Leben frei von Verdächtigungen, jedoch nicht frei von Kritik, wenn man sich auf Abwege begibt. Aber allen wäre klar, in einer Sprache, die wirklich allgemein gilt, was ein Abweg ist, der die Grenzen rechtlich-politischer Toleranz überschreitet, nämlich eine Verletzung von Grundregeln des menschenrechtlichen Respekts unter Gleichen. Die, die andere daran erinnern, sollten dann auch selbst bereit sein, diese Grundregeln zu akzeptieren; das gilt für Minderheiten wie Mehrheiten gleichermaßen. Kritik muss auf Augenhöhe stattfinden, ohne Identitätsfallen. Noch einmal Adorno: „Freiheit wäre, nicht zwischen schwarz und weiß zu wählen, sondern aus solcher vorgeschriebenen Wahl herauszutreten.“ (Minima Moralia, Stück 85).

Ich übergebe nun das Wort an Saba-Nur Cheema, die diese Konferenz konzipiert hat, mit meinem herzlichen Dank an sie für Ihren Einsatz, an alle Vortragenden und die Moderatorin sowie an alle, die dazu beigetragen haben, von der Bildungsstätte und auch von unserem Zentrum und der Universität – und für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche uns offene und in Adornos Sinne freie Diskussionen.

Nächstes Kamingespräch mit Patti Tamara Lenard

  • Beitrag veröffentlicht:7. November 2023

Die Kamingespräche oder Fireside Chats des Frauennetzwerks der Forschungsinitiative „ConTrust“ und des Forschungszentrums „Normative Ordnungen“ bieten Gelegenheit, Einblicke in die wissenschaftlichen Karrierewege erfolgreicher Frauen zu erhalten, Wissen und Erfahrungen zu teilen und mehr über unterschiedliche Motivationen und Strategien für Frauen in der Wissenschaft zu erfahren.
Am 15. November wird Prof. Patti Tamara Lenard von der Universität Ottawa zu Gast für einen Austauch sein und für Fragen und Gespräche beim nächsten Kamingespräch zur Verfügung stehen.
Patti Tamara Lenard ist Professorin für Ethik an der „Graduate School of Public and International Affairs“ der Universität Ottawa. Sie forscht zu Migration, Multikulturalismus, Vertrauen und Demokratietheorie. Ihr aktuellstes Buch „Democracy and Exclusion“ ist im August bei Oxford University Press erschienen.

Mehr zur Veranstaltung: Hier…

Dritte internationale ConTrust-Jahreskonferenz „Comparative Perspectives on Trust in Conflict“ am 16. und 17. November

  • Beitrag veröffentlicht:2. November 2023

Am 16. und 17. November findet die dritte Jahreskonfernz der Forschungsinitiative „ConTrust- Vertrauen im Konflikt“ unter dem Titel „Comparative Perspectives on Trust in Conflict“ statt. Im Zentrum der Konferenz werden die Themengebiete „Identität, Führung und Vertrauen, Vertrauen in Sicherheitssysteme, politisches Vertrauen und Konfliktdynamik, Vertrauen und epistemische Konflikte“ stehen, die in insgesamt vier Panels mit Wissenschaftler*innen der Forschungsinitiative und internationalen Gästen interdisziplinär dikutiert werden.

Die Veranstaltung findet im Gebäude „Normative Ordnungen“ auf dem Campus Westend statt. Interessierte sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Um Anmeldung an office@normativeorders.net wird gebeten.

Weitere Informationen und Programm: Hier…

Römerberggespräche widmen sich dem „aufhaltsamen Aufstieg des Rechtsextremismus“

  • Beitrag veröffentlicht:2. November 2023

Wie konnte es soweit kommen? Wer versagt und welche wirksamen Strategien können gefunden werden, um einen neuen Totalitarismus zu verhindern? In den 54. Römerberggespräche wird der Aufstieg des Rechtsextremismus in den Fokus gestellt. Die jüngeren Entwicklungen sollen dabei in verschiedenen Aspekten zuerst beleuchtet und Handlungsmöglichkeiten ausgelotet werden. Dazu werden unter anderem die Resilienz der Verfassung und Kontinuitätslinien des deutschen Rechtsnationalismus wie auch Haltungsfragen und mediale Umgangsformen mit rechten Parteien besprochen.

Die Römerberggespräche finden am 18. November ab 10 Uhr statt. Zu den Gästen dieser Ausgabe zählen unter anderen Patrick Bahners, Hanna Pfeiffer, Andreas Zick und Michel Friedman. Moderiert wird erneut von Hadija Haruna-Oelker und Alf Mentzer.

Zu den 54. Römerberggesprächen „Hört die Signale! Vom aufhaltsamen Aufstieg des Rechtsextremismus“: Hier…

Europas Verantwortung für Kolonialgewalt: Crisis Talks über den Umgang mit Kolonialgeschichte

  • Beitrag veröffentlicht:31. Oktober 2023

Die lange verdrängte und manchmal gar legitimierte koloniale Vergangenheit ist zunehmend Thema für die europäischen Staaten. Belgien, Italien und Deutschland sind einige der Länder, die sich zuletzt für ihre Kolonialgeschichte entschuldigt haben. Bisher findet die Auseinandersetzung über Haftungen und Schuld jedoch überwiegend im nationalen Rahmen statt; ein europäischer Austausch soll diese Diskussionen auch auf EU-Ebene ermöglichen.

In den Crisis Talks am 14. November 2023 mit dem Titel „Aufarbeitung kolonialer Gewalt – Möglichkeiten postkolonialer Erinnerungspolitik“ ist dieses Vorhaben Thema. In einer Podiumsdiskussion widmen sich die Wissenschaftlerin Dr. Sabine Mannitz, die Europaparlamentarerin Salima Yenbou und die soziokulturelle Arbeiterin und Beraterin Laura Gaëlle Ganza der Kolonialgeschichte und dem europäischen Umgang damit. Moderieren wird der Journalist Alexander Göbel. Vor der Podiumsdiskussion werden die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich und der Wissenschaftler Stefan Kroll Grußworte an die Gäste richten, die in einen Impuls von Sabine Mannitz übergehen.

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Leopoldina verleiht Carus-Medaille an Nicola Fuchs-Schündeln

  • Beitrag veröffentlicht:25. Oktober 2023
Foto: Kay Nietfeld

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina würdigt die Wirtschaftswissenschaftlerin Nicola Fuchs-Schündeln für ihre herausragenden Forschungsarbeiten im Bereich der quantitativen Makroökonomie mit der diesjährigen Carus-Medaille. Die Auszeichnung wird ihr im Rahmen des Symposiums der Klasse Geistes-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften am Mittwoch, 22. November 2023 in Halle (Saale) überreicht.
Die Carus-Medaille wurde anlässlich des 50. Professorenjubiläums des XIII. Präsidenten der Leopoldina, Carl Gustav Carus (1789–1869), gestiftet und erstmals im Jahr 1896 vergeben. Sie würdigt bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen oder Forschungsleistungen jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einem in der Leopoldina vertretenen Gebiet.

Zur ausführlichen Pressemitteilung der Goethe-Universität: Hier…